Back to Gaya
Back to Gaya
Horst Peter Koll, film-dienst, Nr. 6, 18.03.2004
Die Bewohner von Gaya leben in einem fantastischen Reich von paradiesischem Ausmaß. Es sind glückliche und zufriedene Wesen, die sich von Menschen lediglich durch ihre weit geringere Körpergröße sowie ihre abstehenden, mit Pelz besetzten Ohren unterscheiden; zufrieden und sorgenfrei verbringen sie ihre Tage und genießen ihr idyllisches Land, das dank der mächtigen Energie des Steins Dalamit blüht und gedeiht. Hier und da gibt es zwar Ärger mit den "punkigen" Schnurks, doch diese Reibereien sind eigentlich nur die Würze im ansonsten konfliktfreien Dasein. Was Gayaner und Schnurks allerdings nicht wissen: Sie sind lediglich die Protagonisten einer animierten Fernsehserie, die es im Land der Menschen unter dem Titel "Die Abenteuer von Buu & Zino" bereits auf 234 Folgen gebracht hat. Just als dem Schöpfer der Serie, dem alten Albert Drollinger, die Ideen auszugehen drohen, geschieht etwas, das nicht eingeplant und erst recht nicht Teil seines Drehbuchs war: Eine unbekannte Macht stiehlt den Dalamiten und verdammt das Reich der Gayaner zum Untergang in ewiger Finsternis. Doch da durch den Diebstahl auch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aufgehoben werden, können einige gayanische "Helden" dem emporsteigenden Stein folgen und ihn quasi im turbulenten Flug durch Raum und Zeit an sich reißen. So landen schließlich sechs kleine Wesen, drei Gayaner und drei Schnurks, im urbanen Dschungel der Menschenwelt, wo sie einer nicht enden wollenden Kette von Abenteuern ausgesetzt sind. Alle Gefahren gehen von dem rachsüchtigen Wissenschaftler Icely aus, der mit seinen teuflischen Plänen nur zu besiegen ist, wenn sich das Sextett zu einem schlagkräftigen Team zusammenschweißt. Und so kooperieren die drei Gayaner – der erfindungsreiche, aber recht ängstliche Buu, der heldenhafte, etwas begriffsstutzige Zino und die hübsche, ebenso kampfgewandte wie selbstbewusste Atlanta – mit den drei Schnurks Zeck, Zino und Galger, ihren aufmüpfigen und frechen, letztlich aber doch solidarischen "Spiegelbildern".
"Back to Gaya" ist der erste deutsche, komplett im Computer erstellte Fantasy-Animationsfilm, was eine beeindruckende Leistung ist, die Respekt und Anerkennung verdient. Dass dabei keine sonderlich eigenständige Erzählung entstanden ist, mag in der Natur der Sache liegen, vor allem, wenn man sich den von Hollywood etablierten Standards stellt und Erwartungen erfüllen will, die von den gängigen Genre-Vorgaben diktiert werden: Action und Abenteuer, Komik und Fantasy, Geschwindigkeit und Turbulenz. In der ersten Liga der Pixar-Erfolge kann der Film nicht mitspielen, wobei er sich ohnehin mehr an den Märchen-Versatzstücken von "Shrek" orientiert – doch auch dessen hohes technisches Niveau bleibt unerreicht. Formal sieht "Back to Gaya" weniger wie ein Kinofilm aus als wie ein auf die Leinwand transferiertes Computerspiel ohne interaktive Einflussnahme; Assoziationen an die digitalen Fantasie-Landschaften aus "Myst" und "Riven", ans "Star Wars"-Pod-Race-PC-Spiel, an George Lucas" Adventures-Games um die skurrilen Figuren der "Monkey Island"-Reihe und vor allem den französischen Klassiker "Amerzone" nach Benoît Sokal drängen sich auf. Können die spektakuläreren Szenen noch durch akustische Beigaben weitgehend auf Wirkung getrimmt werden, hapert es deutlich an der Charakterzeichnung der kleinen Helden, die sich derart behäbig bewegen, dass selbst die Synchronstimmen in eine Art Zeitlupe zu verfallen scheinen. Gewiss: Nie wird die Grenze des Akzeptablen unterschritten, der Film ist solide, redlich und engagiert, doch wenn weder die Bösen noch die Guten (vor allem die trotzige Atlanta) Individualität gewinnen, dann fehlt einer Abenteuergeschichte automatisch die entscheidende "erzählerische Seele". Unterm Strich bleibt allein die reizvolle Idee, mit verschiedenen "Realitätsebenen" zu jonglieren; dass dabei aber direkt wieder der Gedanke des "freien Willens" und somit ein philosophischer Anstrich ins Spiel kommen muss, ist nach den Werken von Michael Ende weder originell noch besonders tiefschürfend.