Der langjährige Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, verlässt das Filmfestival. Gass wird ab Februar 2025 als Gründungsdirektor das neue Haus für Film und Medien (HFM) in Stuttgart aufbauen.
Der 59-jährige Autor, Filmkurator und Kulturmanager gilt als wichtiger Theoretiker des zeitgenössischen Kinos und kritische Stimme im Kulturbetrieb. Er wurde 1997 zum Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen berufen.
"Wir bedauern den Weggang von Lars Henrik Gass sehr. Er hat das traditionsreiche Filmfestival durch die kluge Einbeziehung von Kunst- und Medienströmungen als weltweit anerkanntes Markenzeichen unserer Stadt stetig weiterentwickelt. Mit ihm geht eine stilbildende Ära des Filmfestivals zu Ende, in der die Kurzfilmtage aus der Stadthalle wieder in die Innenstadt gezogen sind und durch eine Öffnung gegenüber Kunstwelt, Popkultur und digitalen Entwicklungen ein neues Publikum erschlossen haben. Für seine neue Aufgabe wünschen wir Lars Henrik Gass viel Erfolg", erklärt Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz. Der Aufruf gegen jeden Antisemitismus, den Gass kurz nach dem Hamas-Terrorakt vom 7. Oktober 2023 in Israel als einer der wenigen prominenten Vertreter der deutschen Kulturszene veröffentlicht und vertreten hat, "entspricht der Haltung unserer Stadt, die wir seit dem Überfall der Hamas auf Israel immer wieder gezeigt haben", betont der Oberbürgermeister: "In seiner klaren Stellungnahme haben wir ihn bestärkt."
Die Vertreter der Gesellschafterin Stadt Oberhausen erarbeiten derzeit ein Konzept für die Nachfolge der Geschäftsführung und der künstlerischen Leitung des Festivals.
"Nach 27 Jahren in der Leitungsfunktion der Kurzfilmtage verlasse ich Oberhausen mit herzlichem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Publikum und die Vertreter der Stadt für das mir entgegengebrachte Vertrauen", erklärte Gass. In die Zeit seiner Festivalleitung fielen unter anderem die Entdeckung von herausragenden Filmemacherinnen und Filmemachern wie Andrea Arnold, Christoph Hochhäusler oder Mike Mills, die Einführung des weltweit ersten Preises für Musikvideos auf einem Filmfestival, viele innovative technische Erneuerungen wie etwa digitale Plattformen für die Einreichung von Filmen sowie die Gründung der AG Kurzfilm und der AG Filmfestival, die ebenfalls von seiner Initiative ausgingen. Er war überdies verantwortlich für die erste vollständig digitale Ausgabe eines Filmfestivals in Deutschland während der Corona-Pandemie, die großes Aufsehen erregte.
Als Gründungsdirektor in Stuttgart könne er künftig inhaltlich, konzeptionell und organisatorisch gemeinsam mit einem großen Planungsstab das Fundament des Hauses für Film und Medien Stuttgart (HFM) gestalten, das in seiner Konzeption bundesweit einzigartig sei, sagt Gass: "Die zukunftsweisende Einrichtung ist als analoger und digitaler Ort für das Bewegtbild in all seinen Formen von der Vergangenheit bis zur Zukunft konzipiert." Neben dem Film sollen hier ab 2029 auf rund 4.500 Quadratmetern sämtliche Formate des Bewegtbilds von Animation über Games und Software bis zu Virtual und Augmented Reality ein Zuhause finden.
Lars Henrik Gass, 1965 in Kaiserslautern geboren, publizierte Texte und Bücher unter anderem zu Theorie und Zukunft von Filmfestivals und Kino sowie zur Kultur- und Filmförderung. Nach Studium und Promotion an der Freien Universität Berlin übernahm er Anfang 1996 zunächst die Geschäftsführung des Europäischen Dokumentarfilm Instituts in Mülheim an der Ruhr und ging im Oktober 1997 als Festivalleiter nach Oberhausen.
Die 1954 gegründeten Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen waren mit dem Motto "Weg zum Nachbarn" Treffpunkt mit Filmschaffenden aus dem damaligen Ostblock, wurden mit dem Oberhausener Manifest 1962 zur Keimzelle des Neuen Deutschen Films und sind eng mit heute prominenten Regisseuren wie Alexander Kluge, Werner Herzog, Roman Polanski, Christoph Schlingensief oder Wim Wenders verbunden. Bei den 70. Kurzfilmtagen im Mai dieses Jahres wurden 450 Filme präsentiert und 750 Akkreditierungen aus 50 Ländern verzeichnet. Die Gesamtzahl der gezählten Eintritte lag bei rund 16.000.
Quelle: www.kurzfilmtage.de