Biografie
Der Regisseur und Drehbuchautor Urban Gad wurde am 12. Februar 1879 als Peter Urban Bruun Gad in Korsør, Dänemark geboren. Seine Eltern waren Teil der oberen dänischen Gesellschaftsschicht: Sein Vater, Nicolaus Urban Gad gehörte als Kontreadmiral zu den höchsten Militärs Dänemarks und seine Mutter, Emma Henriette Margrethe Gad, war Schriftstellerin, Dramatikerin und enge Freundin der dänischen Prinzessin.
Nach dem Abitur 1898 wollte Urban Gad Maler werden. Er studierte an der Kopenhagener Kunstakademie und machte eine Weiterbildung in Paris bei seinem Onkel, dem Maler Fritz Thaulow. Danach arbeitete er als künstlerischer Berater und Bühnenbildner am Neuen Theater in Kopenhagen, wo er auf die Schauspielerin Asta Nielsen traf. Wie in dieser Zeit häufig, wagten die beiden den Sprung von der Bühne zur Leinwand und realisierten gemeinsam ihren Debutfilm "Afgrunden" ("Abgründe", 1910). 1911 engagierte die Deutsche Bioscop-Gesellschaft Gad und Nielsen für die zwei Filme, "Nachtfalter" und "Großstadtversuchungen", die auch im Ausland vertrieben wurden. Danach kehrten beide nach Dänemark zurück und es folgte "Den sorte drøm" ("Der schwarze Traum") für die Produktionsfirma Fotorama und im Anschluss ein Vertragsangebot der Nordisk-Film. Doch Gad und Nielsen wurden den Dänen durch einen Zusammenschluss aus Deutscher Bioscop, Projektions-Aktiengesellschaft "Union" (PAGU) und Straßburger Aktien-Gesellschaft für Kinematographie und Filmverleih abgeworben, für den sich beide für mehrere Jahre verpflichteten. Zum Vertrieb der Gad-Nielsen-Serie wurde gemeinsam die Internationale Film-Vertriebs-Gesellschaft mbH gegründet.
1912 heirateten Nielsen und Gad und er übernahm als Direktor die Leitung der "Asta Nielsen-Abteilung" der Gesellschaft. 24 Hauptrollen innerhalb von vier Jahren in den von Gad für die PAGU inszenierten Filmen, wie "Der fremde Vogel" (1911), "Die arme Jenny" (1911/12), "Engelein" (1913/14) und "Vordertreppe und Hintertreppe" (1914/15) festigten Nielsens Ruf als Ausnahmeschauspielerin. Doch ab 1915 gingen Gad und Nielsen beruflich wie privat getrennte Wege - die Scheidung folgte 1918. Retrospektiv schmälerten Gad und Nielsen die Rolle des jeweils anderen bei der Entstehung der gemeinsamen Filme, doch vieles deutet auf ein symbiotisches Arbeitsverhältnis hin.
1915, nach der Trennung von Nielsen, schrieb und inszenierte Gad einen weiteren Film für die PAGU: "Das Spiel mit dem Tode" mit Hella Moja in der Hauptrolle. Als damals größtes eigenständiges Filmunternehmen Deutschlands erlitt die PAGU durch den Krieg jedoch schwere finanzielle Einbußen. Sie schloss sich daher mit der Nordischen Films Co., der deutschen Tochtergesellschaft der dänischen Nordisk-Film, zusammen. Diese übernahm den Vertrieb der PAGU-produzierten Filme der Gad-Nielsen-Serie, die wegen der Zensur während des Krieges keinen Kinostart hatten. Diese verspäteten Aufführungen sorgten für Verärgerung bei der neugegründeten Saturn-Film A.G., die ab 1916 sowohl mit Gad als auch mit Nielsen arbeitete und nun zwei voneinander getrennte Serien produzierte. Hauptdarstellerin der Urban-Gad-Serie war der neue Schauspielstern Maria Widal. Mit ihr realisierte er zwischen 1916 und 1918 etwa gutes Dutzend Filme, wie "Die verschlossene Tür" (1916), "Der rote Streifen" (1916) und "Die neue Daliah" (1917), mit denen er Widal zu Bekanntheit verhalf. So konnte die Saturn-Film A.G. die mit Gad begonnene Reihe von Maria-Widal-Filmen mit anderen Regisseuren fortführen, als Gad ab 1918 begann mit Hella Moja als Hauptdarstellerin für deren Produktionsfirma Hella Moja-Film GmbH zu arbeiten.
1919 veröffentlichte Gad in Dänemark sein Buch "Filmen: Dens Midler og Maal" ("Der Film: seine Mittel, seine Ziele"), in welchem Gad sein persönliches Wissen und seine Erfahrungen aus der Filmpraxis weitergab. Gad war damit einer der ersten Regisseure, der ein filmtheoretisches Werk über seine Arbeit verfasste. 1920 entstand aus der Hella Moja-Film GmbH die Terra Film A.G., die zu einer der größten und erfolgreichsten Produktionsgesellschaften Deutschlands wurde und Gad als Regisseur zu einem ihrer Aushängeschilder machte. Gad inszenierte für sie 1920/21 die beiden "Christian Wahnschaffe"-Teile "Weltbrand" und "Flucht aus dem goldenen Kerker".
Zusammen mit Drehbuchautor Bobby E. Lüthge und Bankhausdirektor Levin gründete Gad 1921 eine eigene Produktionsfirma, die Corona-Film GmbH. Den Vertrieb der entstandenen Filme übernahm die Terra, die sie in Werbeanzeigen als Urban-Gad-Abenteuerfilme anpries. 1921 kündigte die Zeitschrift "Der Film" den Drehstart der Terra-Produktion "Der schwarze Montag" mit Gad als Regisseur und Hella Moja als Hauptdarstellerin an, der Film wird letztendlich jedoch von Szenenbildner Robert A. Dietrich realisiert. Gads letzte deutsche Produktion war 1922 "Hanneles Himmelsfahrt". Die Etablierung des neuen Mediums Film als Kunstform, um dadurch bei der breiten Masse das Interesse an der Kunst zu wecken, war bis dahin Urban Gads große Vision gewesen. In nur 12 Jahren, zwischen 1910 und 1922, zeichnete er sich für ungefähr 60 deutsche Filme verantwortlich. Danach kehrte er nach Dänemark zurück und heiratete Weihnachten 1922 in Kopenhagen die deutsche Schauspielerin Esther Margaretha Burgert Westenhagen. Außerdem wurde er Direktor des Kinos Grand Teatret in Kopenhagen, in dem er bis zu seinem Tod arbeiten sollte. 1926 inszenierte er seinen letzten Film "Lykkehjulet" ("Das Glücksrad") mit den dänischen Komikern Pat und Patachon. Am 26. Dezember 1947 starb Urban Gad in Kopenhagen.
Bezeichnend für seine Arbeit als Regisseur und Drehbuchautor nannten Kritiker und Kollegen in zeitgenössischen Zeitschriften seine akribische Gewissenhaftigkeit und seinen ununterbrochenen Arbeitseifer. Sie merkten an, dass Gad seine Werke bis ins kleinste künstlerische Detail durchdachte und sie durch seinen weiten Bildungshorizont und sein malerisches Talent prägte. Gad verhalf Lustspielen zu einem künstlerischen Anspruch und inszenierte als einer der ersten bereits 1913 erfolgreich Cross-Dressing-Komödien wie "Engelein" oder "Zapatas Bande", die auch heute noch bekannt sind. Gads Spätwerk ist heute weitestgehend vergessen und verschollen. Einblicke gewährten die durch die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restaurierten und digitalisierten Filme des Zweiteilers "Christian Wahnschaffe" (1920/21), die im Rahmen der Retrospektive-Reihe "Weimarer Kino – neu gesehen" auf der Berlinale 2018 uraufgeführt wurden.
Autorin: Anna Bell