Keiner liebt mich

Deutschland 1994 Spielfilm

Keiner liebt mich


Suzanne Greuner, epd Film. Nr. 1, Januar 1995

Aus diesem Film kommt man mit gemischten Gefühlen und einem Lied im Kopf: Edith Piafs "Non, je ne regrette rien", am Ende von der versammelten Filmcrew im Gruppenbild unterm Abspann zum vierten Mal durchgeschmettert, - es hört sich an wie ein trotziges Bekenntnis der Doris Dörrie. Wie ein "Da, nehmt ihn hin, meinen neuen Film, denkt, was ihr wollt, ich steh" dazu!" Was noch mitschwingt in dieser "Hymne an das Leben und die Liebe", macht die Kritik an "Keiner liebt mich" schwer. Wenn man weiß, daß Helge Weindler, seit "Mitten ins Herz" Kameramann und seit "Ich und Er" auch Ehemann von Doris Dörrie, todkrank ist, kann man sehen, wo und wie in diesem Film die reale Konfrontation mit dem Tod einfließt; wie sie als Leitmotiv von Anfang an bearbeitet, ironisch gebrochen und gegen Ende zum eigentlichen Thema wird. Weil das so ist, ist "Keiner liebt mich" keine Komödie mehr, auch wenn der Film sich angestrengt bemüht, diesen Anschein zu wahren. Wozu denn das ganze Theater drumherum? Wozu dieses lustige Kostüm aus Gesinnungsgeschichten,. – eine für die Singles, eine für die Ausländer, eine für die Schwulen, gegen die Miethaie und den Rest der bösen Welt? Es paßt hinten und vorne nicht und sieht zu peinlich aus, als daß man drüber lachen könnte. Weil er dieses Kostüm aber auch ablegt, für Momente und zunehmend länger zu sich kommt, zum Eigentlichen, zu seiner Wahrheit, lohnt sich Doris Dörries Film doch.

Maria Schrader, zur Zeit auch als Bankräuberin in "Burning Life" unterwegs, spielt Fanny Fink, eine forsche, hübsche 29jährige mit Torschlußpanik. "Ich würd" mich auch nicht in mich verlieben, wenn ich Sie wäre," rotzt sie in die Kamera des Partnervermittlungsinstituts, daß die Skelettohrringe nur so klappern. Diese gruseligen Dinger trägt Fanny auch bei der Arbeit, wenn sie, ansonsten nett und adrett, am Flughafen Leibesvisitationen vornimmt. Denn Fanny beschäftigt sich in ihrer vielen freien Zeit mit der Kunst des Sterbens. Wenn sie nicht gerade in ihrer geschmackvoll durchgestylten Wohnung in einem häßlichen Kölner Hochhaus lesend Tütensuppe löffelt, sehen wir sie im Volkshochschulkurs für "selbstbestimmtes Sterben" beim Meditieren über die Vergänglichkeit des Körpers oder beim Basteln des eigenen Sargs. Das Prunkstück, natürlich in Schwarz und gut gepolstert, ziert bald ihr Wohnzimmer, wird freudig eingeweiht und ändert an der Liebes- und Lebenssehnsucht der Fanny Fink doch nicht das Geringste. Wo bleibt der Mann ihres Lebens? Diese Frage quält Fanny so sehr, daß sie eines Tages wildentschlossen gegenüber bei dem Hellseher und Chiromanten Orfeo de Altamar klingelt. Dem Schwarzen mit Skelettbemalung war sie im Aufzug begegnet, als dieser steckenblieb, sich aber durch Orfeos Beschwörungstanz wieder umstimmen ließ. Orfeo, intensiv und nuanciert verkörpert von Pierre Sanoussi-Bliss, befragt augenrollend Knöchelchen und sieht den großen Blonden mit dem schwarzen Auto und die Zahl 23.

Daß ausgerechnet der Schnösel Lothar Sticker (Michael von Au), seines Zeichens neuer Verwalter des Hochhauses, der für sie Bestimmte sein soll, bremst Fanny nicht. Sie ergreift die Initiative, verliebt sich und bleibt dran, auch als Lothar sich stur zeigt. Während sich die Verwicklungen immer mehr verwickeln, Lust und Frust der Fanny Fink vor der grotesken Kulisse dieses Hauses, "im Chaos typischer Großstadt-Anonymität", von Pointe zu Pointe getrieben werden, wächst leise, aber stetig die Freundschaft zwischen Fanny und Orfeo. Das Ende des Films gehört (beinahe) ganz den beiden. Weil Orfeo todkrank ist, ohne Geld, aus seiner Wohnung rausgeflogen, machen sie sich in Fannys Bleibe eine gute, letzte Zeit. Sie löffeln ihre Suppe mit den fiesen, fetten Fotoaugen drauf und ertränken den Rest ihres Liebeskummers in Champagner. Weil der Sex zwischen ihnen keine Rolle spielt, schließlich ist Orfeo nicht nur schwarz, sondern auch schwul, entsteht Platz für die Liebe.

Es ist Liebe mit einem U: "Ich lube dich", buchstabiert Orfeo, was ihm Fanny auf den Rücken schreibt. Und diese Lube erscheint, im Angesicht des Todes, als das einzig Wahre. Leider, leider aber schlüpft der Film zurück in sein Komödien-Kostüm. Orfeo muß mit viel esoterischem Hokuspokus, grellem weißen Licht und Flugzeuglärm, von den Außerirdischen abgeholt, sterben. So daß die durchgedrehte alte Frau Radebrecht (Peggy Parnass, wie sie leibt und lebt) in ein freudiges "Sie kommen. Sie kommen. Sie retten uns!" ausbrechen darf, während dem Rest des bunten Häufchens im Hochhaus die Angst zur Maske wird. Und dann muß da auch noch der sympathische Lasse (Ingo Naujoks) aus Fannys Sterbe-Kurs, inzwischen in Orfeos Wohnung eingezogen, zur rechten Zeit im Aufzug stehen, damit, happy, Maria Schrader happy ending, Fanny bald keinen Grund mehr hat zu sagen: "Keiner liebt mich."

Schade eigentlich um den ganzen Aufwand, der von dem ablenkt, was diesen Film allein besonders macht. Es wäre nicht nötig gewesen, das Licht auf den Boden zu legen, damit diese häßlichen Hochhauskorridore nach etwas aussehen. Und den Schwarzen hätte man für seine Trommelsessions nicht auf das Hochhausdach setzen müssen, nur damit die Kamera immer rund um ihn herumfliegen kann, um hübsch schwindelige Bilder zu machen. Das Aufgebot an Typen, wie jeder sie kennt und wie es sie doch nicht wirklich gibt, ist ebenso überflüssig wie Dialoge, die um jeden Preis witzig sein wollen. Zitate, in den Bildern wie den Texten, viel zu viele Zitate vollenden den Eindruck des Unechten, Uneigentlichen. Schade um die Geschichte von der Liebe und dem Tod.

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