Der Andere

Deutschland 1912/1913 Spielfilm

Albert Bassermann im Film


Lichtbild-Bühne, Nr. 4, 25.1.1913


Je stärker die Angriffe auf den Kinematograph ausgeübt werden, mit desto mehr Glück wird die lebende Bilderkunst ihrer literarischen, künstlerischen und technischen Vollkommenheit entgegenschreiten. Je lauter man dem Kinodrama jede Existenzberechtigung abspricht, desto breiter wird der Raum sein, den es im Filmprogramm einnimmt, denn von Filmspiel zu Filmspiel beweist es immer deutlicher, daß es als neue Kunstform anzusprechen ist. (...)

Schon seit Monaten spricht das kulturelle Deutschland vom neuesten Sieg des Kinematographen: Bassermann und Paul Lindau. – Bassermann, der lichtempfindliche Photographenscheue, und Paul Lindau, der noch vor kurzem ein geistvolles "Steiniget ihn" gegen den Kinematograph schrieb. Die Aufgabe mußte reizen, diese beiden mit Schminkstift und Füllfederhalter ins Kino-Atelier hineinzukomplimentieren, wird nicht leicht gewesen sein; da es aber gelungen, kann man der "Vitascope" eine neidlose Anerkennung nicht versagen.

Vor einigen Tagen sollte nun die öffentliche Kritikerwelt in den Lichtspielen im Berliner Mozartsaal Gelegenheit finden, zu Gericht zu sitzen über den Film "Der Andere" von Lindau mit Bassermann in der Hauptrolle.

Das intime Riesenparkett des Mozartsaales war mit spannendster Neugierde komplett ausgefüllt. Man ahnte, daß hier das übliche Premierenfieber nicht mal genügt, man mußte sich sogar des historischen Kino-Augenblicks bewußt sein und fühlte deutlich den Ruck, mit dem der vielgelästerte Kinematograph ins literarische Lager hinüberschwenkte.

Ein sichtliches großes Gefallen ging durch die Reihen der Zuschauer, als das letzte Ende Blankfilm durch war. Bassermann hat in Stummheit zum Publikum gesprochen und Paul Lindau hat anstatt mit Tinte zu schreiben, seine Gedanken in Licht getaucht. Es war ein Experiment, aber ein gelungenes und "Vitascope" kann zufrieden sein; nicht nur moralisch, sondern auch kaufmännisch, denn die Kinobesitzer wollen jetzt alle "Bassermanns" haben.

Interessant ist auch die Feststellung, daß sich die Tagespresse ohne Ausnahme nicht in der sonst beim Kinematographen üblichen Waschzettel-Manier mit ein paar nichtssagenden Zellen über die lästige Reporterpflicht hinweggesetzt hat, sondern durch ihre Kunstkritiker den literarisch und schauspielerisch bedeutsamen Film besprechen ließ. Diese Kritiken sind äußerst lehrhaft, behandeln sachlich und ernst das schwierige Kunstthema der Kinodramatik und beweisen, daß die Kinokunst jetzt ernstlich genommen wird; ein Umstand, den das Variete z. B. leider bei der Tagespresse immer noch nicht erreicht hat. (...)

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