F.P. 1 antwortet nicht

Deutschland 1932 Spielfilm

F. P. 1 antwortet nicht


Willy Haas, Film-Kurier, Nr. 302, 23.12.1932


Eine Maschinensymphonie; ein Gesang von der mechanisierten Welt; ein groß konzipiertes dramatisches Epos von Manneskühnheit und Manneszähigkeit, von tollem Wikingertum und stillem, verbissenem, halb weitabgewandtem Mannesfleiß.

Romantisch? Filmromantisch? Gewiß. Aber hinter dieser Romantik taucht doch in Umrissen schon etwas Anderes, Neues auf: der neue Menschentyp der maschinegewordenen Welt, eine neue, kalte Intelligenz, die sich von Minute zu Minute in dieser mit Menschen vollgedrängten Welt behauptet, eine Art neuer Tierinstinkt auf dem laufenden Bande, eine neue Elastizität des Gehirns . . . und das restlose Gerichtet-Sein auf ein einziges Ziel: Beherrschung der Elemente, Beherrschung dieser eng gewordenen Erde. Es ist schon etwas darin von der neuen Welt "der Arbeiter", die der interessante revolutionäre Nationalist Ernst Jünger die Welt von morgen ausdeutet . . . auch das junge, reiche Mädchen ist hier schon in diesem Sinn "Arbeiterin", keine Spur Luxusgeschöpf, ohne jede Koketterie. (...)

Ein Film großer Spannungen, riesenhafter konstruktiver Bauten; ein Film, in dem es kaum noch oder nur andeutungsweise so etwas wie ein "Heim" gibt; ein Film, in dem man nicht einmal allein mit sich selbst stirbt, sondern wie ein Fisch in den unzähligen sich kreuzenden elektrischen Wellen der drahtlosen Telephonverbindungen schwimmend, die jeden Seufzer des Verwundeten durch die ganze Welt tragen: wie auf seinem himmelhohen Podium, dem Thronsessel unserer Maschinenwelt: der Mensch, der überall sichtbar, hörbar, belauschbar ist; fast ohne Privatleben schon – der Mensch in der Mitte. (...)

Der Regisseur Karl Hartl hat das fast unübersehbare Riesengemälde klar und ausgezeichnet disponiert, den Montagerhythmus gut gestrafft: nur ein paar Tete-à-tete-Szenen scheinen mir eine Spur zu "gestellt"; andererseits ist das Ironisierende, immer leicht Fiebernde, ewig Springende, Tanzende, Laufende, die Bewegung wechselnde in der Figur des Hans Albers am Ende ein bißchen zu stark aufgezogen, obgleich wir nicht verkennen, worauf hier der Regisseur zielte. Aber das sind Nebendinge; einen Hammer erkennt man daran, wie er zuschlägt, nicht im Kinderspiel. Und wenn dieser Hammer zuschlägt, in den entscheidenden Szenen in der Mitte und der zweiten Hälfte, da spritzen die Funken heraus. Der eigentliche Held die technischen Bauten Kettelhuts (und Henningers): es sind riesenhafte Bauten, aber nichts von der Protzerei gewisser Prunk-Kolossal-Superfilme ist darin: der kolossale Aufwand ist genau angemessen dem äußeren Sujet, eine sehr streng rechnende technische Ökonomie rechtfertigt hier für den Geschmack auch den Millionenaufwand. Es ist kein wildaufgeblasener privater Spielfilm, sondern es geht eben wirklich und ganz konkret um ein Stück technische Weltherrschaft, die mit drei Boudoirs und einer Hotelhalle nicht zu verbildlichen wäre. Gerade das Wunderwerk der technischen Insel, eine der imposantesten Filmbauten, die es je im Film gegeben hat, ist eine Art versteckte Rechenaufgabe: Fast ist man als Mensch von heute versucht, nachzurechnen, wieviel nun eigentlich dieses Stück Weltherrschaft über den Ozean in natura kosten würde; eine stattliche Anzahl Millionen, zweifellos, aber doch eben eine begrenzte Summe, nicht einen ganz irrsinnigen mythologischen Betrag, wie in älteren Filmen ähnlicher Art vorgetäuscht werden sollte. Ein Riesenfilm, und dennoch ein Film des Marktes, der rechnenden Selbstverständlichkeit, nicht wildgewordener phantastischer Gründerträume. Das ist vor allem das Verdienst des Architekten.

Albers glänzt wieder in allen Farben wie eine Fontäne im Sommer, springt wie ein Lachs, lacht wie die liebe Sonne, klopft jovial auf Schultern, schmeißt heraus, holt den Herausgeworfenen lachend wieder zurück, explodiert vor Lebenslust, verführt alle Mädchen im Parterre, und wenn er ganz heruntergekommen ist, schlägt er sich den Kragen seines Jacketts auf (– hat man je im Film oder auf dem Theater einen Heruntergekommenen gesehen, der nicht den Jackettkragen aufgeschlagen hätte?). Paul Hartmann zeigt das Stumme, Spröde, Wortlose des Arbeitsmenschen: mehr eine Kunst – als eine Naturleistung, aber hier, wo die Maschinen das eigentliche Leben sind, wahrscheinlich richtig. Eine außerordentlich interessante Erscheinung ist Sybille Schmitz: wirkliche Mädchen-Vornehmheit von heute, ohne die leiseste Spur Ziererei, mit ihrem schönen, starken, charakteristischen, fast männlichen Mund, und trotzdem eine Stimme, aus der man das erzogene Patrizierkind hört. Einfach und turnerisch noch in der größten Balltoilette, ein ausgeglichener Typ. (...)

Zum Schluß gab es ungewöhnlich starken Beifall, der alle Beteiligten immer wieder vor den Vorhang rief.

Rechtsstatus