Inhalt
Oskar Roehlers Liebesgeschichte erzählt von den Bewegungen des Zusammen- und Alleinseins zwischen dem Regisseur Robert und seiner Freundin Marie, die als Ärztin in einer Kinderklinik arbeitet. Die Beziehung beider wird vor allem durch Roberts Ängste und Zweifel auf die Probe gestellt.
Diese vertiefen sich, als Robert von der unheilbaren Krankheit seines Vater Klaus erfährt – und Klaus stirbt, nachdem Robert nach Jahren des Schweigens wieder Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Immer stärker zieht sich Robert in sich zurück. Von Marie, die ihrerseits seine Hilfe angesichts ihrer beruflichen Belastung brauchen könnte, entfernt er sich in fast jeder Beziehung. Nur Marie scheint noch an ihre Liebe zu glauben und hofft weiter auf einen Neuanfang.
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Für Robert kommt es freilich auch ganz dick. Seine aktuelle Theaterproduktion, eine Gruppe Nackter brüllt in Einar Schleef-Manier unter bläulichem Licht verquaste Sätze („Wir haben Angst. Helfen Sie uns. Sagen Sie was“), kommt nicht von der Stelle. Sein Vater Klaus, ein bekannter Schriftsteller, ist so schwer an Krebs erkrankt, dass dessen Lebensgefährtin Brigitte keinen anderen Ausweg mehr weiß als Robert, der jahrelang ein gespanntes Verhältnis zu seinem Vater hatte, an dessen Krankenbett zu rufen. Dort erzählt Klaus seinem Sohn die Geschichte seines bisher unvollendeten neuen Romans, in dessen Mittelpunkt der Raumfahrer K. steht – eine Figur, die dem „Solaris“-Drehbuch entsprungen sein könnte. Kaum haben sich die beiden ausgesöhnt, Robert ist sogar bereit, seinen Vater bei sich aufzunehmen, damit er das Schlussdrittel des Romans fertigstellen kann, stirbt Klaus – und für Roberts Reue ist es wieder einmal zu spät.
Auch sein Psychoanalytiker ist keine Hilfe, rät er Robert doch, auf den Besuch bei Prostituierten zu verzichten, um seine Ehe nicht zu gefährden. Doch inzwischen ist Marie dahintergekommen, dass Robert, der es zwischendurch auch ’mal mit Kokain versucht hat (Herbert Knaup gibt den Verführer), mit einer russischen Prostituierten – ungeschützt – verkehrt hat, deren mit dem HIV-Virus infiziertes Kind sie auf der Krebsstation behandelte. Nachdem Marie auch noch ihr ungeborenes Kind verliert, reißt sie zu ihren streng-protestantischen (Pfarrhaus-) Eltern aus – und unternimmt einen weiteren Versuch, sich die Pulsadern aufzuschneiden. In einer Rückblende wird gezeigt, dass Marie bereits seit ihrer frühen Kindheit unter Angstzuständen leidet, weshalb die Psychologin des Heimes, in das sie eingeliefert wird, alle Beteiligten einem peinlich genauen Verhör unterzieht: Gibt es noch Hoffnung auf Gesundung, hat die Ehe noch eine Chance?
Oskar Roehler landete mit „Der alte Affe Angst“ bei der Uraufführung im Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele immerhin einen Achtungserfolg. Der Titel seines Films wurde, so Roehler, durch einen Artikel im „Spiegel“ angeregt, „der beschreibt, wie wir Menschen einst nackt von den Bäumen kamen und schutzlos der Savanne ausgeliefert waren und wie die Ängste von damals bis heute unser ständiger Begleiter sind.“ Marie Bäumer erhielt am 17. Januar 2003 den Bayerischen Filmpreis 2002 in der Kategorie „Beste Darstellerin“, es folgte in der gleichen Kategorie bei der Berlinale der Preis der deutschen Filmkritik.
Oskar Roehler im Gespräch mit Jochen Müller in: „Blickpunkt Film“ vom 5. Februar 2003: „Im Grunde kreist die Geschichte darum, wie sich der Trieb auf unser (Liebes-) Leben auswirkt. Ich wollte eine persönliche Geschichte erzählen und nicht soziologisch auf die Gesellschaft schauen, auch auf die Gefahr hin, gelegentlich den Überblick zu verlieren. Ich glaube, dass Paare meiner Generation, die lange zusammen sind, an gleiche Grenzen stoßen und dass sich die damit verbundenen Probleme für diese Paare privat und gesellschaftlich nicht lösen lassen. Die Männer fühlen sich extrem gefangen. Dadurch kommt es zu eruptiven Ausbrüchen, die Ausdruck einer Frustration sind. Robert geht es ähnlich, und oft werden Beziehungen dann einfach in Frage gestellt. Der Film zeigt zwei Menschen, die sich seelisch so aneinander gebunden haben, dass sie trotz aller Schwierigkeiten zusammen bleiben wollen. Für mich hat dies einen moralischen, fast schon heiligen Impetus. Man denkt aber, dass die aus Unzufriedenheit geborene Frustration etwas ganz Schlimmes ist, doch wenn einem dann die Grundlagen des Lebens entzogen werden, weil ein geliebter Mensch stirbt, dann ist man plötzlich vor völlig andere Tatsachen gestellt und Dinge, die längst vergessen sind, kommen hoch, und diese Dinge, die so tief liegen, haben für mich mit Liebe zu tun.“
Pitt Herrmann