Die Hamburger Krankheit

BR Deutschland Frankreich 1978/1979 Spielfilm

Inhalt

Während im Hamburger Kongresszentrum Wissenschaftler darüber debattieren, ob es möglich und wünschenswert sei, das menschliche Leben zu verlängern, breitet sich in der Stadt eine gefährliche Seuche aus. Wer sich infiziert, verfällt dem Wahnsinn und stirbt schließlich. Die Behörden reagieren panisch und mit sinnlosen Notstandsmaßnahmen auf die Krankheit. Die massenhaft verabreichten Impfungen scheinen die Erreger der Seuche eher zu stabilisieren, als sie zu zerstören. Eine kleine Gruppe Infizierter kann aus der Quarantäne entkommen und flüchtet auf einen bayerischen Bergbauernhof. Dort wollen sie das Ende der Katastrophe abwarten.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Was hätte das für ein bedrückender Science-Fiction-Film werden können – aus der Feder so renommierter Autoren wie Roland Topor und Otto Jägersberger. Denn Peter Fleischmanns „Die Hamburger Krankheit“ fängt genauso an. Aber dann schwenkt die realistische Handlung um in Klamauk, in Abenteuerlust mit Easy-Rider-Verschnitt und in grell-bunte Bilder. Ganz zu schweigen von sogenannten Gags wie die Entblößung der Manneskraft der bekannten Transvestitin Romy Haag, die kurz zuvor noch ihren üppigen Kunst-Busen schwellen lassen durfte. Kurze Frage nach langen zwei Stunden: Was solls?

Alles auf Anfang. In Hamburg sterben die Menschen wie die Fliegen – urplötzlich, auf der Straße, bei der Arbeit. Niemand kennt die Ursache und als gemeinsames Symptom wird nur eine äußerliche Merkwürdigkeit festgestellt: die betroffenen Menschen krümmen sich in embryonaler Haltung, in Fötuslage. Als ob sie zurück in den Mutterleib kriechen wollten. Die Behörden reagieren zwar nicht gerade hysterisch, aber weil mitten im 20. Jahrhundert eine Krankheit auftaucht, die weder zu analysieren noch gar zu heilen ist, kommt es zu hektischen Überreaktionen. Da werden Quarantänestationen errichtet und die Menschen von der Straße weg eingepfercht, da werden Vorkehrungen getroffen, als sei die unbekannte „Hamburger Krankheit“ eine ansteckende Seuche.

In einem dieser Lager lernt sich ein heterogenes Quartett kennen: der Arzt Sebastian, der auf eigene Faust die Ursache der geheimnisvollen Erkrankungen herausfinden will, das junge Mädchen Ulrike, die als „Kontaktperson“ unter Quarantäne gestellt worden ist, das Lebens- und Verkaufstalent Heribert und der einzig wirklich Kranke, „Rolli“ Ottokar, der das Dasein aus seinem fahrbaren Untersatz heraus anarchisch nimmt („Die Gerechtigkeit zieht blank, die Gesunden sind jetzt krank!“). Ausgerechnet Ottokar ist der Einzige, der noch „draußen“ ist. Was sich rasch ändert – und nach geglückter Befreiung des wundersamen Trios beschließen alle vier, sich mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken und Hamburg zu verlassen, was angesichts der Polizeiabsperrungen nicht einfach ist. Inzwischen aber hat sich die „Hamburger Krankheit“ auch auf andere Gemeinden und Städte ausgebreitet, ganze Dörfer sind befallen.

Noch einmal klingt an, was ein Science-Fiction-Thriller mit einer solchen Exposition für Möglichkeiten gehabt hätte: das Quartett erreicht ein solches Dorf, in dem nur noch Tiere leben, während die Bewohner sämtlich - wie vom Schlag getroffen - verstorben sind. Peter Fleischmanns Streifen kippt um, als in Person des Fritz der einzig Überlebende besagten Dorfes zum Quartett stößt, das sich nun in Road-Movie-Manier im Wohnwagen von Hamburg aus gen bayerische Alpen fortbewegt, sorgfältig alle anderen unter Quarantäne stehenden Orte meidend. Heribert, der Überlebenskünstler, setzt sich unterwegs ab, um als Würstchenverkäufer das große Geld zu machen. Er trifft den Rest der Gruppe später aber in einer Dorfgaststätte wieder, wo eine Art Endzeit-Party steigt mit Totenköpfen und Skeletten. Auch andere stoßen hinzu, so zwei Italienerinnen auf dem Weg in die Heimat. So reiht sich Episode an Episode, welche die unterschiedlichsten Reaktionen auf das unerklärliche Krankheitsphänomen offenbaren. Aber zu diesem Zeitpunkt hat der Film die realistische Ebene längst verlassen.

Ungereimtheiten wie folgende kommen hinzu: Die zwangsweise geimpfte Ulrike wird im fernen Bayern vom Polizeihubschrauber eingefangen, obwohl die Krankheitswelle längst abgeebbt ist. Die Spannung eines Science-Fiction-Films aber basiert auf der Möglichkeit wenn nicht gar Wahrscheinlichkeit, jedenfalls aber auf der Plausibilität des Gezeigten. Peter Fleischmanns „Die Hamburger Krankheit“ aber verlässt schon ziemlich bald den Realitätsbezug. Und verliert den Roten Faden, nimmt kleine Episoden am Rand wie die mit Romy Haag und Evelyn Künneke oder eine mit dem „Mystiker“ Rainer Langhans wichtiger als den Plot, die mysteriöse Krankheit und ihre Folgen Massenhysterie und Behördenwillkür.

Nach der Uraufführung im September 1979 auf der Hamburger Filmschau (seit 1992 Filmfest Hamburg) im Jahr der „Hamburger Erklärung“ der Regisseure Werner Herzog, Volker Schlöndorff, Wim Wenders & Co kam der Film am 23. November 1979 in die Kinos und wurde am 29. März 1982 vom ZDF erstausgestrahlt. Auf dem int. Festival des Mysteryfilms, „Mystfest“ im italienischen Cattolica, wurde Peter Fleischmann 1980 als bester Regisseur ausgezeichnet.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Requisite

Schnitt

Mischung

Redaktion

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Geschäftsführung

Dreharbeiten

    • Juni 1978 - Oktober 1978: Hamburg, Kirschgellersen, Lüneburg, Fulda, Altrhein, München, Umgebung des Wilden Kaisers
Länge:
3215 m, 118 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 31.10.1979, 51101, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Titel

  • Weiterer Titel (FR) La maladie d'Hambourg
  • Originaltitel (DE) Die Hamburger Krankheit
  • Weiterer Titel (ENG) The Hamburg Syndrome
  • Originaltitel (DE) Die Hamburger Krankheit - Directors Cut

Fassungen

Original

Länge:
3215 m, 118 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 31.10.1979, 51101, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Formatfassung

Format:
DCP
Abschnittstitel
  • Originaltitel (DE)
  • Die Hamburger Krankheit - Directors Cut
Format:
DCP

Prüffassung

Länge:
3450 m, 126 min