"Mann gegen Mann" oder Der schwere Weg der Erkenntnis
Anmerkung zu einem Film von Kurt Maetzig
Margit Voss, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 4, 1976
Kurt Maetzig erzählt in seinem Film "Mann gegen Mann" eine Fabel, die nicht frei von Konstruktion ist, die auf einem Reißbrett entwickelt sein könnte. Es geht um den Kampf zweier Männer um eine Frau, der zu verschiedenen Zeiten unter unterschiedlichen Vorzeichen stattfindet und einmal die negativen Auswüchse einer Zeit spiegelt, das andere Mal neue moralische und ethische Maßstäbe erkennen läßt.
Aber gleichzeitig gibt dieser "überschaubare" Rahmen auch Raum für Konflikte und große Wandlungen, die sich nur in philosophischen Kategorien fassen lassen, Es sind Wandlungen, die die menschliche Persönlichkeit als ein Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung kenntlich machen, als Subjekt der gesellschaftlichen Verhältnisse, das nicht isoliert von diesen existiert, sondern nur als Teil in einem sozialen Prozeß verstanden werden kann. Das heißt – wie Marx sagte –, den Menschen als "Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse" zu begreifen. Die Probleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen sind also nur dann richtig zu erfassen, wenn man sie in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit untersucht.
Es wird wiederum das große Thema der Befreiung vom Faschismus variiert, das der Regisseur in vielfältiger Weise bereits in seinen früheren Filmen gestaltet hat, hier den manchmal qualvollen, erkenntnisreichen, langwierigen Prozeß innerer Wandlung, das Finden neuer moralischer Maßstäbe. (…)
Kurt Maetzig suchte für diese balladeske Geschichte eine stilistische Ebene, die ihm der Größe des Themas angemessen schien. Naturalismen, so befürchtete er, könnten dem Zuschauer von heute den Zugang verwehren, oder zumindest das Gefühl erwecken, daß hier von etwas Vergangenem die Rede sei.
Dieser Stoff verlangte seiner Ansicht nach verallgemeinernde Überhöhung. Und so entschied er sich für stark komprimierte Bildlösungen, die jeder Szene symbolhafte Bedeutung verleihen. Unterstützt durch die Kameraführung Erich Guskos gelangen sehr eindringliche Szenen durch die Einbeziehung der Landschaft. Manchmal jedoch streifen sie auch die Grenze zum Peinlichen, wie etwa bei der ersten Liebesbegegnung unter den kahlen Ästen der Eiche oder bei dem optisch wie akustisch zu häufig verwandten Krähenmotiv. Damit ist ein Verlust an Detailtreue verbunden, der manchmal bedenklich ist, beispielsweise in der Szene, da Anna in höchster Erregung ein Dutzend Gläser mit Eingemachtem vom Tisch herunterstößt. Wer die Hungerjahre nach dem Krieg kennt, weiß, daß eine Frau mit kleinen Kindern niemals auf diese Weise ihren Zorn abreagiert hätte. Die sonst sehr sparsam eingesetzte Musik verstärkt diesen Eindruck noch, statt ihn zu mildern. Offenbar ist es doch ein Irrtum, zu glauben, daß eine optisch sehr verallgemeinert erzählte Geschichte für den Zuschauer heute leichter faßbar sei. Mir scheint, daß diese Erzählweise die heute noch gültigen Fragen eher verdeckt, daß sie auch den Zuschauer verunsichert, da sie nicht konsequent durchgehalten wurde. Denn es wird zwar dem Betrachter deutlich, daß die zweite Entscheidung des Robert Niemann – für Anna und die Kinder – eine neue moralische Qualität darstellt, doch weniger erschließt sich, daß sich damit direkte Gegenwartsfragen verbinden wie etwa das Problem von Treue und Untreue, das Verhältnis eines Mannes zu nicht-leiblichen Kindern, die Schwierigkeit, einem Partner etwas über innere Vorgänge mitteilen zu können. Hierin lagen für mich die produktivsten Berührungspunkte. Bei einem relativ kleinen Personenkreis konzentriert sich das Interesse auf jede Figur gleich stark. Und wenn man hier auch von keiner Fehlbesetzung sprechen kann, so ist doch nicht zu übersehen, daß die Begabungen unterschiedlich sind. (…)