Das indische Grabmal, Teil 2 - Der Tiger von Eschnapur
Der Tiger von Eschnapur
A. F., Der Film, Nr. 48, 27.11.1921
Der zweite Teil des großen May-Filmes "Das indische Grabmal", der am vorigen Sonnabend im Ufapalast zum ersten Male vorgeführt wurde, macht einen weit stärkeren Eindruck als der erste. Es zeigt sich, daß diejenigen Kritiker Recht hatten, die die Verteilung des Filmes auf zwei Abende für den Grundfehler hielten. Die Schwächen des Manuskripts wird zwar auch dieser zweite Teil nicht los. Die Regie Joe Mays muß deshalb Ersatz in starken Einzeleffekten suchen und tut dies mit Erfolg.
Der Film zeigt ein paar Bilder, die einfach meisterhaft wirken. So die Szene, in der die Tiger den gefangenen Mac Allan anspringen. Die Krokodile, die den kühnen Tamilen noch vom Rand des Bootes in die Tiefe zerren. Der Hof der Aussätzigen. Der stumme Kampf zu beiden Seiten der Schlucht, der mit dem freiwilligen Absturz der Fürstin endet. Und vor allem das grandiose Schlußbild des Riesengrabmals, dessen Stufen die winzigen Menschlein herabsteigen. Hier scheint mir tatsächlich der Höhepunkt dieses Films erreicht, auf dem die in ihn gesetzten Erwartungen sich einen Augenblick restlos erfüllen. Von hoher menschlicher Schönheit der Zusammenbruch des Fürsten an der Leiche der noch immer heiß geliebten Frau. Dazwischen Theater kalter Pracht – namentlich die ganze überflüssige Opferszene vor dem Gotte der Büßer mit dem schmalzigen Schluß: "Dein Opfer sollte mich zu deinem Gotte machen! Im Opferrausch deiner Seele wollte ich genesen ....!" – oder Passagen von unnötiger Länge, die nach der Schere schreien.Von den Darstellern kehrt Conrad Veidt in den Schlußbildern zu der an ihm gewohnten reinen Kunst des Zitternd-Menschlichen zurück. Mia May hat im ganzen günstigere Momente als in ihrem unbeteiligten Spiel des ersten Teils und weiß stellenweise mit sich fortzureißen. Eine reife, geschlossene Leistung ist die schweigsame, furchtgebogene Mirjka Lia de Puttis. Die Photographie ist, wie im ersten Teil, einwandfrei.