Mein Name ist Bach
Mein Name ist Bach
Wilhelm Roth, epd Film, Nr. 4, 02.04.2004
Das Ereignis ist verbürgt, die fiktionale Ausschmückung Sache des Films: Am 7. Mai 1747 traf Johann Sebastian Bach in Potsdam den preußischen König Friedrich II. Der König, der gut Flöte spielte und ein eigenes Orchester unterhielt, forderte den "großen Bach" heraus, über eine kleine, aber vertrackte Melodie aus vier Tönen eine Fuge für sechs Stimmen zu improvisieren. Bach ließ sich nicht unter Druck setzen, er lehnte ab, aber die Melodie ging ihm nicht aus dem Sinn, sie wurde zur Keimzelle seines vorletzten Werkes "Das musikalische Opfer". Während der sieben Tage, die er in Potsdam verbrachte, komponierte Bach daran, später hat er das Werk Friedrich II. gewidmet.
Der Zuschauer muss aber kein musikhistorisches Kolleg erwarten oder befürchten. Die Szenen, in denen musiziert oder komponiert wird, sind spannend inszeniert, die Musik ist aber vor allem das Medium, das Friedrich und Bach zueinander führt. Ihre Begegnung ist ein richtiger Kampf, beide sind starrköpfig, aber beide suchen auch Zuneigung. Vadim Glowna als schon altersmüder Bach, von Blindheit bedroht, und der fast proletarische Friedrich II. Jürgen Vogels sind ebenbürtige Gegner und Partner. Aus dem Thema Musik wird allmählich das Thema Vater und Sohn, und da haben beide ihre schwierigen oder sogar katastrophalen Erfahrungen.
Friedrich wurde als junger Mann gezwungen, die Enthauptung seines Freundes Katte mitzuerleben, die sein Vater Friedrich Wilhelm I. befohlen hatte. Schreckensbilder davon tauchen ein paar Mal als Erinnerungsfetzen auf. Friedrich ist aber dadurch nicht zum milden Herrscher geworden; seinen Untertanen gegenüber ist er ein harter Landesvater und seiner Schwester, Prinzessin Amalie, verbietet er brutal die Liebe zu dem Bach-Sohn Friedemann. Johann Sebastian, der nach Potsdam gereist ist, um an der Taufe seines ersten Enkelsohns Adam teilzunehmen, das Kind von Carl Philipp Emanuel, Cembalist am Hofe des preußischen Königs, hat ein durchaus problematisches Verhältnis zu seinen Söhnen und sie zu ihm. Sie fühlen sich von dem genialen Vater unterdrückt, zumal sie beide Musiker sind: der eher ängstliche, geduckte Carl Philipp Emanuel und besonders Friedemann, ein genialischer Neuerer der Musik, was er ein paar Mal in fulminanten Ausbrüchen am damals neuen Pianoforte beweist.
Friedrich aber sieht langsam in Johann Sebastian eine Autorität, die er als Vater akzeptieren könnte. Die Annäherung geschieht ohne große Gesten und Worte, und sie ist immer bedroht, aber die Zueignung des "Musikalischen Opfers" ist dann doch ein deutliches Zeichen, denn der alte Bach hat es nicht mehr nötig, um das Wohlwollen eines Herrschers zu buhlen.
Dominique de Rivaz hat ihr Spielfilmdebüt, das gerade den Schweizer Filmpreis gewann, vor allem als Schauspieler- und Dialogfilm (gutes Drehbuch!) inszeniert; auch die kleineren Rollen sind ausgezeichnet besetzt. Manchmal wagt auch die Kamera von Ciro Cappellari Erstaunliches: Wenn Bach nachts komponiert, nimmt sie seinen kahlen Kopf von hinten auf wie einen geheimnisvollen Planeten am nächtlichen Himmel, aus dem die Musik heraus zu strömen scheint, und dann geht langsam die Sonne auf und beleuchtet den Schädel von links.