Lauf um Dein Leben - Vom Junkie zum Ironman
Lauf um dein Leben - Vom Junkie zum Ironman
"I’m a Cliché", sang 1978 die britische Band X-Ray-Spex und attackierte damit (und wie es scheint erfolgreich) die Authentizitäts-Postulate der Popkultur. Wie schade nun, wenn man selbst ein schmerzvolles Leben lebt, das sich fast wie die Travestie eines Hollywood-Melodrams liest, und dessen Verfilmung dann allenfalls Déjà-vu-Gefühle beim Betrachter auslöst: Alles schon mal gesehen – und dann auch noch viel besser! "Willkommen im Reich der Qual!", heißt es zu Beginn von "Lauf um dein Leben – Vom Junkie zum Ironman", als sich der Rad fahrende Triathlet Andreas Niedrig gerade wieder einmal zwingen muss, einen toten Punkt im Wettkampf durch Willenskraft zu überwinden. Was folgt, ist eine lange Exkursion in die Vergangenheit, die ausführlich den Untertitel des Films plausibel macht. Vielleicht ist es diese Entscheidung, hier eine Rückblende zu wählen, die den Film dramaturgisch so beschädigt, weil man gleich am Anfang weiß, wie alles ausgeht: Wie in einem konventionellen Biopic lässt sich so keine Spannung mehr etablieren. Man sollte, wenn man nicht gerade Billy Wilder ("Sunset Boulevard") heißt oder mit allen postmodernen Wassern gewaschen ist, mit dem Einsatz eines Off-Erzählers und einer Rückblendendramaturgie besser vorsichtig sein.
Man wird also Zeuge, wie der junge Andreas in den 1980er-Jahren Teil einer Clique war, die irgendwo in der Ruhrpott-Provinz, wie man damals so sagte, "wild und gefährlich" lebte. Ausführlich und mit viel Zeitkolorit – schräge Frisuren, seltsame Klamotten, grauenhafte Musik – widmet sich der Film dem wohl als exemplarisch verstandenen Lebensgefühl dieser Clique zwischen Disco und Drogen. Andreas, ein begabter Sportler, laboriert zusätzlich an einem Vater-Sohn-Konflikt, heiratet früh, wird selbst jung Vater – und gerät so in Rollenkonflikte, die ihn schließlich zu harten Drogen greifen lassen. Aus dem jugendlichen Übermut wird jetzt unangenehmer Ernst. Aus den netten Dealern von nebenan werden später gewalttätige Gangster. Erst als er ganz am Boden ist, von Familie und Freunden verlassen, rappelt sich Andreas auf – und quält sich allmählich zum erfolgreichen Extremsportler hoch.
Ganz amerikanisch – man denke nur an "Rocky" – hat der Filmemacher Adnan G. Köse die biografische Erfolgsstory vom "Fall and rise again" entlang der üblichen Erzählpfade entworfen: Da sind die Momente des Glücks in der Clique, der Drogentod des Freundes, der eigene Abstieg in den Drogensumpf, der Rauswurf von der Ehefrau. Da sind die Ein- und Umkehr, der alte Trainer mit seinen markigen Lebensweisheiten ("Wut ist okay, man muss sie nur richtig einsetzen!"), die Selbstüberschätzungen und Rückschläge auf dem Weg nach oben. Am Ende steht der Erfolg – und selbst in diesen Momenten hat man das Gefühl, das alles schon hundertfach gesehen zu haben. Es wäre vielleicht interessanter gewesen, wenn der Film nicht beim sportlichen Triumph geendet, sondern auch vom öffentlichen Druck erzählt hätte, der Niedrig veranlasste, mit seiner Drogenkarriere an die Öffentlichkeit zu gehen, was ihn schließlich über die Sportszene hinaus bekannt werden ließ. Hier hätte sich dem Film dann sogar die Möglichkeit zur Selbstreflexivität im Hinblick auf seine Rolle in der multimedialen Verwertungskette eröffnet. Stattdessen ist "Lauf um Dein Leben" leider ein Film, dem man den Enthusiasmus des Darsteller-Ensembles, aber eben auch sein limitiertes Budget ansieht. Bekannte Fernsehdarsteller wie Udo Schenk, Axel Stein und Leslie Malton bezeugen, wo dieser Film seinen legitimen Aufführungsort hätte.