Europäisches Projekt macht Filme der Jahre 1914-1918 erstmalig online zugänglich

Das Jahr 2014 steht im Zeichen des vielfachen Gedenkens an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren. Diese Erinnerungsarbeit findet dank eines einzigartigen Vorhabens auch im bewegten Bild statt.



Koordiniert vom Deutschen Filminstitut in Frankfurt am Main digitalisiert das europäische Projekt "European Film Gateway 1914" (EFG1914) bereits seit Februar 2012 insgesamt mehr als 650 Stunden historisches Filmmaterial zum Weltkrieg und macht die Filme erstmalig online zugänglich. Die Filme können auf der Internetplattform für das europäische Filmerbe "The European Film Gateway" gesichtet werden.

Die Zivilisationskatastrophe des Ersten Weltkriegs fiel mit dem Aufstieg des Films zum wirkmächtigen Medium der Moderne zusammen. Die überlieferten Filme aus der Zeit 1914-1918 sind beredte Zeugnisse politischer, sozialer sowie ästhetischer Positionen, sie inszenieren und dokumentieren den Alltag ebenso wie den Ausnahmezustand, nicht zuletzt geben sie Auskunft über die technische und narrative Entwicklung des Kinos.

Inzwischen bietet das Internetportal EFG – The European Film Gateway einen umfassenden Einblick in die Filmproduktion aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Knapp 1.500 Wochenschauen, Dokumentarfilme, Animations- und Langspielfilme, die jetzt für "EFG1914" digitalisiert wurden, können online gesichtet werden. Bis zum Abschluss des Projekts im Februar 2014 werden noch weitere 1.000 Titel hinzukommen. Das Deutsche Filminstitut in Frankfurt am Main koordiniert die Zusammenarbeit von 26 Partnern aus 15 Ländern. Durch die Beteiligung der Filmarchive aus ganz Europa ist ein einzigartiges Korpus entstanden, das nicht nur alle Phasen und Schauplätze des Ersten Weltkrieges abdeckt, sondern auch sämtliche Genres und Subgenres berücksichtigt, vom Propagandafilm bis zum Antikriegsdrama. Die Inhalte sind für den Nutzer so aufbereitet, dass neben der Freitextsuche auch nach bestimmten Themen wie "Westfront", "Gebirgskrieg" oder "Zivilbevölkerung" gesucht werden kann.

Im Ersten Weltkrieg wurde die Wirkungsmacht des Films erstmals bewusst propagandistisch eingesetzt. Die Filmproduktion unterlag einer strengen Zensur durch die militärischen Behörden, deshalb gibt es auch kaum Aufnahmen des eigentlichen Kampfgeschehens. Die meisten Dokumentarfilme wurden hinter der Frontlinie oder während des Manövers gedreht. Wie unterschiedlich der ästhetische Zugriff auf die Realität des Krieges dennoch sein kann, zeigen zwei Filme, die beide die Alpenfront zum Inhalt haben. So setzt die Kriegswochenschau "Ein Heldenkampf in Schnee und Eis" (Österreich-Ungarn 1917) aus der Sammlung des Filmarchivs Austria in ihrer Darstellung des Gebirgskampfs auf "geschönte" Bilder und besticht vor allem durch handkolorierte Aufnahmen der alpinen Bergwelt. Dagegen zeigt der Dokumentarfilm "Guerra sulle Alpi" / "Der Krieg in den Alpen" (Italien 1916) des italienischen Filmpioniers und Kameramanns Luca Comerio die Mühsal der italienischen Gebirgsjäger, schweres Kriegsgerät bei Schnee und Eis in 3.000 Meter Höhe zu transportieren. "Guerra sulle Alpi" stammt aus der Sammlung der Cineteca Italiana in Mailand.

Schauplatz Belgien: Das Leid der Zivilbevölkerung durch die Gräueltaten der deutschen Truppen ist wiederkehrendes Motiv einiger kurz nach dem Krieg entstandener Filme aus der Sammlung des Königlich Belgischen Filmarchivs in Brüssel. Der Spielfilm "Belgique martyre" (Belgien 1919) beschwört das Bild des "armen kleinen Belgiens", das auch die Alliierten der Entente für ihre Propaganda gegen Deutschland nutzten; etwa in dem britischen Kriegsanleihe-Werbefilm "Stand by the Men Who Have Stood by You" (Großbritannien 1917) aus der Sammlung des Imperial War Museums in London, das mit über 1.000 Titeln den größten Beitrag zu EFG1914 liefert.

Bei der Auswahl von Filmen zum Thema entdecken die am Projekt beteiligten Archivare immer wieder Neues, wie zum Beispiel "Hunger Blockade Germany" (Deutschland / USA ca. 1919) aus dem Bestand des Deutschen Filminstituts: Der Film des amerikanischen Arztes und Dokumentarfilmers William Held hat den Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung in Folge der Kriegsjahre zum Thema. In drastischer Form und unter Rückgriff auf deutsche Wochenschauaufnahmen zeigt der Film einem amerikanischen Publikum von Mangelernährung und Missbildungen gezeichnete Kinder.

Deutsche Partner sind neben dem Deutschen Filminstitut die Deutsche Kinemathek und das Bundesarchiv-Filmarchiv in Berlin. Teilweise stammt das Material aus dem Rechtebestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und der DEFA-Stiftung. Die deutschen Beiträge, bislang mehr als 200 Titel, können außerdem auf filmportal.de, der zentralen Internetplattform zum deutschen Film, und bald auch auf dem Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek recherchiert und gesichtet werden.

Schätzungen zufolge sind nur noch etwa 20 Prozent der zwischen 1914 und 1918 in Europa produzierten Filme erhalten. Dank EFG1914 wird nun ein beträchtlicher Teil der noch vorhandenen Filme online zugänglich gemacht. Außerdem werden mehrere tausend Fotos, Plakate und historische Zeitschriften bis Anfang 2014 über das European Film Gateway und die Europeana auffindbar sein. "Ein für die Kunstform Film bislang beispielloses europäisches Erinnerungsprojekt mit immenser Bedeutung für die wissenschaftliche und journalistische Recherche", urteilt Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts, über EFG1914.

EFG1914 Projektpartner: Arhiva Nationala de Filme, Bukarest | Association des Cinémathèques Européennes, Brüssel/Frankfurt | Athena Research and Innovation Center in Information, Communication and Knowledge Technologies, Athen | Centre National du Cinéma et de l´Image Animée-Archives françaises du film, Bois d´Arcy| Cinecittà Luce S.p.A, Rom | Cinémathèque royale de Belgique, Brüssel | Fondazione Cineteca di Bologna | CNR-ISTI, Pisa | Det Danske Filminstitut, Kopenhagen | Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, Berlin | Deutsches Filminstitut - DIF e.V., Frankfurt | Estonian Film Archive, Tallinn | EYE Film Institut Netherlands, Amsterdam | Filmarchiv Austria, Wien | Filmoteca Española, Madrid | Fondazione Cineteca Italiana, Mailand| Fraunhofer IIS, Erlangen | Imperial War Museums, London | IVAC, Valencia | Jugoslovenska Kinoteka, Belgrad|  La Cineteca del Friuli, Gemona| | Magyar Nemzeti Digitalís Archivum És Filmintezét, Budapest | Národní filmový archiv, Prag | Nasjonalbiblioteket, Oslo | Österreichisches Filmmuseum, Wien | reelport GmbH, Köln

Fakten zum EFG1914 Projekt und dem European Film Gateway:

EFG1914 wird vom Deutsche Filminstitut – DIF mit Unterstützung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst koordiniert. Das Projekt wird mit 2,1 Millionen Euro vom ICT PSP Programm der Europäischen Union kofinanziert.

Die digitalisierten Filme und Begleitmaterialien werden dezentral auf den Webseiten und Portalen der beteiligten Archivpartner vorgehalten. Eine zentrale Recherche- und Zugriffsmöglichkeit zu allen digitalisierten Materialien bietet das "European Film Gateway" (EFG) das zwischen 2008 und 2011 in dem gleichnamigen Projekt realisiert wurde.

Das EFG sammelt die Erschließungs- und Zugangsinformationen (Metadaten) und stellt sie der "Europeana" zur Verfügung, der von der EU-Kommission ins Leben gerufenen Plattform für das kulturelle Erbe Europas. So werden die Sammlungen der europäischen Filmarchive mit Beständen von 2.000 Institutionen aus anderen Kultursparten verknüpft. Aktuell bietet das EFG Zugang zu mehr als 600.000 Fotos, Plakaten, Filmen und filmhistorischen Dokumenten aus 24 europäischen Archiven und liefert somit Filmarchivaren, Wissenschaftlern, Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit wichtige Informationen.

Quelle: www.deutsches-filminstitut.de