Theo gegen den Rest der Welt

BR Deutschland 1979/1980 Spielfilm

Ein Clown für die Krise

"Theo gegen den Rest der Welt": die seltsame Karriere einer deutschen Kino-Komödie



Hans-Christoph Blumenberg, Die Zeit, 05.12.1980

Komödien kommen kaum vor im deutschen Kino. Bei Fassbinder oder bei Herzog, bei Schlöndorff oder bei Syberberg gibt es nichts zum Lachen. Der deutsche Film ist eine ernste Sache, und warum auch nicht? Nur das Publikum, das man ja nicht ganz vergessen sollte im edlen Subvention- und Gremien-Kino, hungert offenbar nach leichten Lustbarkeiten. Ein Feind des Films, wer diesen Wunsch nicht ernst nimmt. Das weiß natürlich auch der listenreiche Kluge, der seit Jahren schon nach dem "mittleren Film" verlangt. Anderswo heißt die Formel "Niveauvolle Unterhaltung", was gewiß eher abschreckend klingt. Die Leute laufen derweil in den "Käfig voller Narren" (aus Frankreich), in Woody-Allen-Filme (aus New York) und in jeden Jux aus Hollywood. Kein deutscher Billy Wilder ist in Sicht, und mit dem Namen Ernst Lubitsch schmückt sich nur fahrlässig ein Berliner Kritiker-Preis.

Krisenhafte Zeiten (nach Udo Lindenberg: "Panische Zeiten") haben schon immer lustige Hirne gezeugt. Nie ging es im deutschen Kino frivoler und ausgelassener zu als in den letzten drei Jahren vor Hitler. Jetzt haben die schwierigen achtziger Jahre, wo das Gerede vom Weltuntergang bald jede Party beflügelt, ihren ersten deutschen Krisen-Clown produziert. Der Mann heißt Theo und hat eine Geschichte.

Niemand wollte Theo haben, das schmächtige Stehaufmännchen mit den großen Sprüchen und den zappeligen Bewegungen, den proletarischen Don Quichote aus dem Kohlenpott, den Überlebenskünstler wider alle Wahrscheinlichkeiten. Drei Väter hatte Theo; einen Regisseur (Peter F. Brinkmann), einen Autor (Matthias Seelig), einen Schauspieler (Marius Müller-Westernhagen).

Denen wurde lange bedeutet, ihr Theo sei ein hoffnungsloses Kümmerkind. Ein Filmverleih nach dem anderen winkte ab, bis sich der Filmverlag der Autoren endlich barmherzig zeigte und "Theo gegen den Rest der Welt" in sein Programm nahm. Auf eine Pleite mehr oder weniger wäre es im Jahr des Elchs ("Im Herzen des Hurricans") und des Narbenmannes ("Endstation Freiheit") wohl nicht mehr angekommen, zumal Udo Lindenberg und ein anderer "Kandidat" für ordentliche Geschäfte gesorgt hatten.


Das Schöne am Kino ist, daß alles immer ganz anders kommt: Gerade neun Wochen nach dem Start haben schon knapp 1,2 Millionen Zuschauer über Theo (das heißt: mit Theo) gelacht, der Filmverlag zählt drei Millionen Mark Verleih-Brutto-Einnahmen und sieht weiteren Millionen gefaßt entgegen. "Die Ehe der Maria Braun" und "Nosferatu" sind schon überrundet, nur "Die Blechtrommel"" liegt noch vor Theo.

Der ist ein Underdog, ein Verlierer, der sich gegen das Verlieren wehrt: so pfiffig wie einst die Mickymaus, Symbolfigur einer anderen Depression in einem anderen Land. Alle lieben Theo, weil sie in ihm, zum genüßlichen Kinoformat verarbeitet, ihre eigenen Existenz-Ängste wiederfinden. Theo ist eine klassische Identifikations-Figur, maßgeschneidert für die neuen Sorgen der letzten Jahre der Ära Schmidt. Mit Theo, der von der grassierenden Wehleidigkeit sich mit linkischem Grinsen absetzt, pfeifen wir im Dunkeln. Darüber darf man sich freuen, denke ich.

Theo, der Superstar mit den Allüren eines Krümelmonsters, die mit riesigem Abstand erfolgreichste deutsche Kinofigur des Jahres 1980, ist ein willkommener Verbündeter im Kampf gegen die Larmoyanz im Lande: ein Krisengewinnler vielleicht, aber einer von der sympathischen Sorte. Zu seinen Ahnen zählen Chaplin und Keaton (gegen die unser Theo allerdings noch ein Federgewicht ist), aber für die Zukunft der neuen deutschen Filmkomödie ist er ein wichtiger Mann. Auf ihn kann man nicht bauen: Deshalb brauchen wir ihn. Etwas Unvernunft, bitte! Her mit den kleinen Komödien!

Theos Väter indessen lieben ihr Geschöpf nur halbherzig. Marius Müller-Westernhagen (der wohl lieber als Sänger Karriere macht) fürchtet einen neuen "Theo"-Film ebenso wie der Regisseur Peter F. Bringmann. Vielleicht lassen sie sich ja noch überreden.

© Hans-Christoph Blumenberg

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