Dornröschen
Dornröschen
Lichtbild-Bühne, Nr. 51, 22.12.1917
Am Donnerstag Abend wurde im Union-Palast Kurfürstendamm ein neuer Film, der Projektions A.-G. Union, "Dornröschen", vorgeführt. Die Union hat damit ihren gewaltigsten Ausstattungsfilm hergestellt. Das alte, liebgewordene Märchen ist in eine romantische Hofatmosphäre übertragen, mit Königen, Prinzen, Ammen, Feen und alten Hexen. Und man muß dem Regisseur Paul Leni größte Anerkennung aussprechen, daß er diesen sagenhaften Gestalten nichts von ihrem geheimnisvollen Reiz genommen, daß er dem Märchen einen Rahmen geschaffen hat, dessen strenge Stilreinheit in Deutschland bisher nicht erreicht worden ist. Wie lebendig gewordene Bilder alter Meister schritten König und Königin in prunkvollem Zuge vorüber, gefolgt von Rittern und Edeldamen mit spitzen Zuckerhüten und steifen Schleppkleidern. Und unter ihnen wie ein lichtes Feenbild das holde Dornröschen, das von Mabel Kaul anmutig verkörpert wurde. Die Darstellung tat alles, um durch stilechte Gebärden sich dem von Paul Leni kunstvoll entworfenen Innenräumen anzupassen: Harry Liedtke als Prinz, Käthe Dorsch als Königin, Herr Kaiser als König und Herr Janson als Hofmarschall seien besonders genannt.
Das bedeutsame aber an diesem Werke ist, daß eine Firma gewagt hat, ein beträchtliches Kapital an einen solchen Stoff zu setzen. Nur unter Aufbietung größter Mittel war es möglich, diese Stilechtheit zu wahren, die prunkvollen Räume mit echten Geräten und Kostümen auszustatten. Und wiederum konnte es nur einem Maler wie Leni gelingen, zwischen Darstellung und lnnenräumen diese Einheit herzustellen, die diesem Film ein so besonderes Gepräge gibt.
Das Märchen selbst ist mit großem Geschick für die Zwecke des Films bearbeitet: es wahrte den poetischem Unterton und wich geschickt allen Modernisierungen aus. Rudolf Presbers Verse behandelten mit Frische und Keckheit das Thema auf seine Weise, so daß ein enger Konnex zwischen der Darbietung und der sichtbar gefesselten Zuschauerschar hergestellt wurde.