Frauen sind was Wunderbares

Deutschland 1993/1994 Spielfilm

Humor ist, wenn man trotzdem lacht


Wolf Donner, TIP Magazin, Nr. 8, 1994


Kinobesitzer, Filmverleiher und Programmacher bescheinigen dem Publikum neuerdings einen ausgeprägten Amüsierwillen, und der deutsche Film trägt dem Rechnung. An die Stelle des berüchtigten Autorenkinos ist die Schauspieler-Komödie getreten, die nur ein Thema kennt: die Liebe. Sherry Hermanns zweiter Spielfilm , "Frauen sind was Wunderbares" ist ein Prototyp des Genres.

Das Mißverständnis hat einen Namen: deutsche Komödie. Für viele Inländer, für den Rest der Welt allemal, ist das schon ein Widerspruch in sich. Deutsche und Humor, das funktioniert nicht. Die Nation der notorischen Muffler und Miesepeter hat ein gebrochenes Verhältnis zum Leichten, Mokanten, Absurden, Verrückten, zum schlagfertigen Witz, befreiendem Gelächter, selbstkritischer Ironie, anarchischem Esprit.

Deutsche Komödien sind ein Trauerspiel. Ein Vorurteil? Die handelsüblichen Scherzartikel reichen von Otto, über den angeblich nur Bayern lachen können, bis zum allabendlichen TV-Geblödel oder dem begnadeten Satiriker Loriot. Alles Murks, schweißtreibende Sisyphusarbeit am starren Gebirge der ernsten deutschen Volksseele, alles versungen und vertan? Das aktuelle Angebot spricht dagegen. Das Kabarett hat wieder Zulauf, der TV-Humor, zum Heulen dämlich, boomt, und im darbenden Euro-Kino gelten Komödien als zuverlässiges Erfolgsrezept, eine sichere Nische. Lokale Witzfiguren, die fast nie über die Landesgrenzen hinauskommen, sind die letzte Alternative zur Sintflut aus Hollywood.

Bucks "Wir können auch anders...", Timms "Ein Mann für jede Tonart". Kerkelings "Kein Pardon" und Schneiders "Texas - Doc Snyder" gehörten zu den beliebtesten. Wolfspergers "Probefahrt ins Paradies", Runges "Barmherzige Schwestern" und Levys "I was on Mars" zu den gelungensten Filmen der letzten Saison. Stars oder Stories als Anreiz, schierer Klamauk oder ein routiniertes Gag-Räderwerk, Verzwickt-individuelles oder Pointiert-Originelles - so miserabel war das gar nicht. Humor ist das letzte, das im Kino noch geht. Und oft das Allerletzte.

Nach ihrer schönheitstrunkenen Lovestory "Leise Schatten" hat Sherry Hormann nun die Dreieckskomödie "Frauen sind was Wunderbares" zu einem überlangen MTV-Spot veredelt. Ein Kinderserien-Autor und Schürzenjäger (Thomas Heinze), ein zölibatärer Literaturdozent (Kai Wiesinger), eine unentschlossene Lehrerin (Barbara Auer). Drumrum zwei herzige Kinder, vier weitere Frauen, angelegt als Ulknudel, Nervensäge, Trauerweide und bärbeißige Schabracke, feudale Etablissements, gehobene Stände, die Topographie von Langnese- und Getränke-Werbung; Hamburger Lokalkolorit als Tiefdruck-Kalenderserie.

Hormann eifert sichtlich den Münchner Beziehungsdramoletten von Dominik Graf ("Tiger, Löwe, Panther", Buch: Hormann). Sönke Wortmann ("Kleine Haie") und Katja von Garnier ("Abgeschminkt!") nach. Aber die Figuren bleiben flache, papierene Konstrukte mit der Psyche von Neandertalern und stolpern durch Kalamitäten statt Katastrophen. Die Schauspieler retten sich in hysterisches Chargieren: Ständig müssen sie zu Musik vom Feinsten durch Hamburger Straßen und Grünanlagen tollen, weil der Film sonst nichts zu erzählen hat, kommt er wenigstens in diesen eingestreuten Videoclips zu sich.

Eine deutsche Komödie, Elaborierte Witzigkeiten, Gags, Pointen pro Szene, das darf nie nachlassen. Neudeutsche Heiterkeit, albern, synthetisch, unermüdlich auf der Kriechspur naheliegender Scherzchen und erotischer Süffisancen. Um die Oberflächlichkeit der Typen und die Einfallslosigkeit der Handlung zu kaschieren, sind alle ständig in Eile und Bewegung, man nennt das "turbulent". Ein Koffer fliegt aufs Bett, Klamotten flattern durchs Fenster auf die Straße, Flüche, Tränen, Gebrüll - eine "stürmische Trennung". Die Menscheit kennt nur ein Thema, die Liebe, darum wackeln Frauen mit dem Po, sind keß-kokett, während Männer immer nur das eine bezwecken, bereden, betreiben. Paare sind Duos, die sich anschreien, anmachen, trennen, versöhnen. Undsoweiter.

Von zwei Kolleginnen hätte Hormann lernen können, dass nicht putzmunterer Dauerbeschuß, sondern ernste Charaktere und akute Konflikte ein Geheimnis gelungener Komödien sind. Hermine Huntgeburths Trio infernal "Im Kreise der Lieben" über über Großmutter, Tochter und Enkelin, die die Heiratsschwindel als Lebensunterhalt betreiben und die Leichen, wenn es schiefgeht, im Keller horten, paraphrasiert mit schwarzem Humor die Ideologie der Frau als Ware und, genauso böse-präzise, die Rituale familiärer Hackordnung und Haßliebe. Drei grandiose Aktricen: Ruth Hellberg, Karin Baal, Barbara Auer. Annelie Runges sarkastische Arztfilm-Variante "Barmherzige Schwestern" ( mit den genauso wunderbaren Anne Kasprik und Nina Petri) ironisiert bis zum Makabren das Samaritersyndrom eines Berufsstandes sowie Hierarchien und alltäglichen Horror in der hermetischen Krankenhauswelt. Die Regeln könnten von Woody Allen kommen: nicht "komische" Figuren, sondern konkret beschriebener Alltag, der zu komischen Situationen führt, dazu aktuelle Themen, Trends und Torheiten.

In Xaver Schwarzenbergers modernem Aschenputtel "Tafelspitz" (Start Ende April) von der kochenden Maid ans der Wachau und dem Gourmet und Millioniär aus New York gibt es nur strahlende Menschen, wunderbare Zufälle, die Welt als glückliches Märchen. ,,Amüsant" nennt der Verleih, "quirlig" die Presse; diese Pretty Woman für Arme. Auch in Reinhard Schwabenitzkys mild satirischem Frauenfilm "Verlassen Sie bitte Ihren Mann" über die österreichische Politikergattin, die ihren piefigen Karrieristen verläßt, geht es eher naiv zu, wäre da nicht Elfi Eschke, die mit anarchischem Temperament durch den gutgemeinten Emanzipationstrip wusch. Eine starke Nummer.

Boulevard in Screwball-Tradition, der als knappes, effektvolles Pingpong abschnurrt, ist Reinhard Münsters Film-im-Film-Satire "Alles auf Anfang" (Start Ende Mai). Ein Karussell lauter intriganter, egoistischer Monster und betrogener Betrüger, mitreißend durch Tempo, Rhythmus, gepfefferte Dialoge und ein hochkarätiges Ensemble (Katharina Thalbach. Christiane Hörbiger, Harald Juhnke. Udo Samel, Detlev Buck). Mit mehr Geld hätte der gelungene Schauspieler- und Dialogfilm vielleicht auch eine entsprechende visuelle Ebene bekommen.

Komödien mit ihren schwierigen professionellen Genre-Anforderungen liegen im Trend. Der Film sucht wieder den Kontakt zum Publikum. Schauspieler- statt Autorenkino, kulinarisches Spielmaterial statt eitel raschelnden Papiers für die lokalen Stars. Elfi Eschke ist ein Beleg, genauso die phänomenale Christian Hörbiger. Sie allein rettet "Tafelspitz". Souverän, mit kontrolliertem Timing setzt sie Pointen, Sätze, Blicke, Gesten ein, und ihre resolute Manier, bewährt seit "Schtonk!" und "Herr Ober!", wird nie zur Masche. Eher unterspielt sie ihre mondänen Kratzbürsten, läßt leise, zweifelnde Momente zu; die Tragödie lauert immer gleich um die Ecke. Daß Hörbiger eine begehrte deutsche Komödiantin wurde, läßt hoffen.

"Witzischkeit kennt keine Grenzen" tremolierte Heinz Schenk in "Kein Pardon". Schon recht, aber welche? Der Gelastologe (Lachforscher) Otto F. Best definierte kürzlich auf einer Humortagung (welche andere Nation läßt sich sowas einfallen!) das Lachen als "unwillkürliche Kontraktion von 15 Gesichtsmuskeln" und bescheinigte den Deutschen säuerlich ihr "voraufklärerisches Gefolgslachen". Humorlosigkeit gleich mehrfach und unfreiwillig. Wann lacht das Publikum adäquat, legitim, richtig dosiert? Meist reagiert es klassenspezifisch. Das niedere Volk grölt, die Beletage lächelt; hier autoritäres, hämisches, bierdunstiges Ab-, Mit- und Verlachen, dort gemessenes Amüsement über Feinsinnig-Spitzfindiges. Und die Kritik rekapituliert die Attitüde je nach Selbstverständnis des Mediums.

Das wird evident in der Reibung an Realität, Aktualität. Politik, zum Beispiel in zwei deutsch-deutschen Schmonzetten von Manfred Stelzer ("Grüß Gott, Genosse!") und Bertram von Boxberg ("Wer zweimal lügt"). Die Geschichten vom anpassungsfreudigen Adolf Wendler (ein Name als Programm signalisiert stets Derb-Krachledernes), der in Bayern rasant schnell SED und Sommerlager durch CSU und Kirchenchor austauscht, oder von zwei West-Oldies, Buchhändler und Haushälterin, die dem jungen Ost-Juristen mit nicht ganz koscherer Vergangenheit ein aufgeklärtes Richterpaar vorspielen, sind bieder, bodenständig, bemüht, belehrend, nur eins zu eins umgesetzte TV-Kost (beide schon ausgestrahlt).

Auch Joseph Orrs "Oben - Unten" über Ostberlin im Wende-, Umbau- und Reklamerausch, wo ein junger Simplizissimus sich in emotionalen, beruflichen und topographischen Komplikationen verheddert, verliert nach 30 Minuten seinen bescheidenen Debütanten-Charme (ohne Termin). Anders Jens Beckers "Adamski" (Start Anfang Juni), die lakonische Lovestory vom unangepaßten Kaufhausdetektiv und der gewieften Ladendiebin am Alex (Steffen Schult und Nadja Engel). Der tapsige Melancholiker und die liebeshungrige Pragmatikerin üben sich in die neue Warenwelt und kapitalistische Usancen ein. Dabei stehen sein Job und sein Voyeurisimus für das alte Bespitzelungssystem, wird das Kaufhaus zum Mikrokosmos einer Gesellschaft, ihrer Hierarchien, Karrieren, Illegalitäten, Egoismen, ihrer xenophobischen und erotischen Übereinkünfte. Ein genau erfaßtes Milieu (das gilt auch für Orr), Understatement, spannende Volten und unerwartete Entwicklungen, gelungene Typen-und Situationskomik.

Das alles und mehr hat Michael Gwisdeks "Abschied von Agnes" (ohne Termin). Das Kammerspiel vom kauzigen Einsiedler (Gwisdek) und dem Stasi-Macho (Sylvester Groth) im vergammelten Altbau am Prenzlberg ist ein reizvoller Grenzfall zwischen Krimi, Typenkomödie, Psychothriller und tragischer Farce. Es geht um Schuld und Vertuschung, Liebe und Verrat, Rache und Nostalgie; Absurdes und Abstruses flackern auf, der zynische Büttel entwickelt monströse Rechtsfertigungszwänge, der Sonderling laviert am Abgrund des Irrsinns. Abschied von Agnes, von der alten DDR, ihren unguten Allianzen und Arrangements, die man gern verdrängen oder in gehüteten Erinnerungen vergolden würde.

Wo die Wirklichkeit zu Atmosphären, Konfigurationen und schillernden Spiegelbildern gerinnt wie bei Becker und Gwisdek, bleibt sie das dankbarste Terrain für Filmkomödien. Wichtig für den humorvollen Ansatz scheint die Distanz, zum Sujet zu sein, eine allegorische Erzählebene bei aller liebevollen Genauigkeit im Detail. Denn dem direkten Abbild deutscher Realitäten nimmt die dauerhafte Bonner Realsatire jeden Biß: Die finden die Zuschauer komischerweise gar nicht komisch.

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