Abwärts
Abwärts
Hubert Haslberger, film-dienst, Nr. 10, 15.05.1984
Vier Menschen werden nachts durch einen winzigen technischen Defekt in einem Fahrstuhl eingesperrt. Eine Nacht lang kämpfen sie miteinander – und gegeneinander – ums Überleben. Die klaustrophobe Szenerie wird im Augenblick der Lebensgefahr zum Treibhaus elementarster menschlicher Regungen wie Angst, Aggression und Erotik. Fassaden bürgerlichen Wohlverhaltens werden demontiert, Neurosen, tragische Lebensumstände und brüchige Beziehungen werden offenbar – während draußen über dem gähnenden Abgrund die Drahtseile der Kabine immer dünner werden. Geschickt setzt der Film eine technische Katastrophe in Beziehung zu den Gefühls- und Partnerschafts-Katastrophen der Figuren und schafft so ein interessantes Geflecht aus Action- und kammerspielhaftem Psycho-Reißer. Mit begrenzten Mitteln, auf engem Raum werden Möglichkeiten dieses seltsamen Zwitter-Genres durchgespielt. Dabei verwendet Schenkel freilich wenig Energie darauf, feinsinnig und grüblerisch nach psychologischen Motivationen zu loten; er postuliert vielmehr die Figuren fast plakativ und läßt sie einfach unter physischen und psychischen Extrembedingungen spannungsreich aufeinanderprallen. Das Ganze ist konsequent auf sinnliche Unmittelbarkeit hin angelegt.
Nur einmal werden in einer längeren Dialog-Sequenz Vorgeschichten und Motivationen rein verbal eingeholt; aber zum Glück ist die Wortlastigkeit und drohende optische Redundanz und Indiskretion durch einen durchdachten Schwenk und eine zurückhaltende Lichtdramaturgie unterwandert. Um so direkter und heftiger aber sind die körperlichen Aktionen, etwa die aufreibenden Hahnenkämpfe der beiden jungen männlichen Hauptfiguren, in Szene gesetzt. Von den durchweg guten Darstellern kommt dabei Götz George dem Konzept von Autor und Regisseur am nächsten, weil er eine sehr direkte körperliche Präsenz wohldosiert und effektsicher auszureizen versteht – gemäß dem Regie-Anliegen, möglichst griffige und ungebrochene Genre-Muster auf möglichst raffinierte Weise einzusetzen. Dabei gelingt es, die auf den ersten Blick betont selbstsicher wirkende Hauptfigur schrittweise als problembeladen, neurotisch, aggressiv und eitel zu entlarven, zuletzt aber doch als eindrucksvollen einsamen Verlierer wiederum "heroisch" zu stilisieren – ein kleines Kabinettstück in Sachen Sympathielenkung. Auch in seiner rundum zufriedenstellenden, manchmal sogar verblüffenden handwerklichen Versiertheit beweist der Regisseur, daß er sich eingehend mit dem amerikanischen Kino auseinandergesetzt hat. Mit dem amerikanischen Genre-Film hat "Abwärts" auch den eindeutigen Vorrang des Unterhaltungs- und Spannungswertes vor einer inhaltlichen Vertiefung gemein, ohne deswegen gleich platt und anspruchslos zu sein. Aus dem Gros der Genrefilmversuche hierzulande ragt diese Produktion, die äußere und innere Spannung meist geglückt vereint, ziemlich einsam heraus.