...und deine Liebe auch

DDR 1961/1962 Spielfilm

Drei in einer großen Stadt

Rosemarie Rehahn, Wochenpost, Berlin/DDR, 17.3.1962

Holt der Film das Leben ein? Man muß es mal versuchen.

Die Außenaufnahmen, die etwa zwei Drittel des Films ausmachen, sind beendet. Ende März werden auch die Atelierkomplexe abgedreht sein. Dabei hat keiner der Schauspieler ein Drehbuch in die Hand gekriegt. Kann er auch nicht, weil der Autor noch daran schreibt. Eine etwas ungewöhnliche Art der Filmherstellung. Doch nicht um des Ungewöhnlichen, der Originalität willen. Eher könnte man sagen, daß ungewöhnliche Ereignisse zu einer ungewöhnlichen Methode führten.

Das war so: Paul Wiens und Frank Vogel suchten nach ihrem erfolgreichen "Der Mann mit dem Objektiv" nach einer tiefen Geschichte aus unserem Leben. Sie waren schon nahe dran. Da kam der 13. August. Die Geschichte schien ihnen plötzlich zu fern von den brennenden Auseinandersetzungen, dem kämpferischen Lebenswillen in den Straßen, in den Betrieben, den S-Bahnen – im eigenen Herzen.

Sie beschlossen, dabeizusein, mit der Kamera, mit den drei Helden ihrer Ge­schichte, deren Charaktere inzwischen plastische Formen angenommen hatten und zum Teil auch in der Schauspielerbesetzung feststanden. Sie beschlossen, die drei mitten hineinzustellen in das lebensvolle, schnoddrige, kühle und heiße Berlin dieser Tage, wo der Atemzug jedes einzelnen den großen historischen Atem mitbestimmte. Ihre Geschichte sollte am Vorabend des 13. August beginnen und am Neujahrsmorgen 1962 zu Ende sein.

Sie wollten sie synchron mit der Geschichte filmen. Auf den Straßen und in den Häusern Berlins, bei Versammlungen, auf den Plätzen und in den Gärten, im Glühlampenwerk, das Paul Wiens gut kennt, weil er zusammen mit seiner Frau den Zirkel schreibender Arbeiter dort leitet, auf der Warschauer Brücke, der Oberbaumbrücke, auf einem Postamt, in der Kampfgruppe, an der Grenze.

Die große Menschheitsgeschichte besteht aus vielen kleinen, ganz persönlichen Menschengeschichten. Bloß daß man nicht überall und immer so deutlich sieht, wie das alles zusammengehört. In Berlin, in diesen Tagen sah man's. Die Filmleute mußten sich beeilen.

Als das Studio unbürokratisch die Dreherlaubnis gab, existierte vom Drehbuch nicht viel mehr als die Ausgangssituation. (…)

Die kleine, die Filmgeschichte läuft mit der großen, der Historie mit, heftet sich dem Leben hartnäckig an die Fersen. Die Filmleute arbeiten wie eine Reportergruppe der Wochenschau. Sie haben ihre Fühler überall, bei der Volkspolizei, beim Ministerium des Innern, beim "Augenzeugen", beim Rundfunk; beim ADN; überall, wo Nachrichten einlaufen, wo sich "etwas tut". Der Autor improvisiert (wobei die Fabel in ihren wesentlichen Linien und in ihrem Ausgang natürlich feststeht). Er schreibt Szenen nach Maß, bezieht das tatsächliche Geschehen auf der Straße aktiv in die Handlung, in die Gefühle und Entscheidungen der Helden mit ein.

So erlebt Eva, Kati SzekeIy, entsetzt die amerikanische Provokation an der Friedrichstraße, sieht besessene Amis mit aufgepflanztem Bajonett bis zur Leipziger Straße rasen. Angst packt sie, hilflose, blinde Angst, das Kind, das sie erwartet; zur Welt zu bringen, in diese Welt… Entschlossen, Schulter an Schulter mit den Kameraden der Kampfgruppe, beobachtet Ulli, Armin Mueller-Stahl, das Treiben entfesselter Kleinbürger und jugendlicher Krimineller jenseits der Staatsgrenze. (…)

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