00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter
00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter
Peter Strotmann, film-dienst, Nr. 1, 03.01.1995
Helge Schneider ist die "Nouvelle Vague" aus Herne, so viel wird allmählich klar. Verhaspelte Anschlüsse, Schnitte wie mit dem Rasenmäher gesetzt, der erste Hauptdarsteller kommt über seine eigenen Auftritte ins Kichern, der zweite glotzt beständig in die Kamera, diese wiederum übt Ranfahrten, die an Körperverletzung grenzen - die Franzosen hätten es nicht besser gekonnt. Beziehungsweise: sie konnten es letztlich ja doch - darin liegt zumindest ein Unterschied. Bei Schneider bleibt dies weiter ungewiß, was zu einigen Vermutungen Anlaß gibt: Was würde passieren, wenn er plötzlich versuchen würde, ein Gefühl für Timing zu entwickeln, Pointen zu setzen? Wer würde das sehen wollen?
Die Jagd auf Nihil Baxter bietet Schneider vom Schlimmsten, und das gleich in drei Rollen: als Mordbube Baxter, der sich mangels Freunden mit Kunst und Skulpturen umgibt, welchselbe gern zu Boden poltern; als Kommissar, der den Täter mit seinem feingeschliffenen Scharfsinn dingfest macht; und als Hobby-Chirurg mit ausgeprägter Aversion gegen Kassenpatienten. Dazu kommen jede Menge weitere Gestalten ("Bekannte und Verwandte"), die man bereits in "Texas -Doc Snyder hält die Welt in Atem" (fd 30 546) kennen- und fürchtengelernt hat: Andreas Kunze trampelt zur Abwechslung als Ehefrau, nicht als Mutter durch die Kulissen, Werner Abrolat hält seine Polizeitruppe mit merkwürdigen Trainingseinheiten in Form, Herr Körschgen versucht, als kettenrauchender Watson mit dem Kriminalen Schritt zu halten. Die improvisierten, regelmäßig von hilflosen Kunstpausen unterbrochenen Gespräche (wenn man das so nennen kann) zwischen Körschgen und Schneider gehören zu den Highlights (wenn man das so nennen kann) des Films, so wie Schlingensiefs Kamera und Bildaufteilung ab und an nach mehr als Amateur aussehen und flüchtige Erinnerungen an ein "normales" Kinoerlebnis wecken
Ansonsten spottet das, was Schneider und seine Laienspielschar in den Hinterhöfen und Reihenhäusern des Reviers treiben, nach wie vor jeder Beschreibung - und entzieht sich einer vernünftigen Bewertung. Und das soll es ja auch. Schneider, der Entertainer, will nicht unterhalten. Also ist es seine traurige Gestalt, das Kümmerliche seiner Komik, das zum Lachen reizt. Und selbst dagegen rebelliert er. "00 Schneider" bietet 90 Minuten der Verweigerung, des "Hier stehe ich - ich kann (oder: ich will) nicht besser". Zuschauer, die über das Schamgefühl verfügen, das dem Hauptverantwortlichen offenbar abgeht (sinnigerweise heißt eine Talkshow im Film "Ich schäme mich"), machen da am besten einen großen Bogen. Die anderen wissen selbst am besten, was sie ins Kino zieht. Es muß sich wohl um eine Form von Masochismus handeln. Oder um einen unausgesprochenen Protest - die deutsche Filmkomödie, weggespült vom Nichts. Eine Art Nouvelle Vague, wie gesagt.