Zugvogel am Sund

DDR 1978 TV-Film

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Ein bisschen tingeln und Mädchen begucken“: Ekke will nach Norden, am liebsten nach Rügen, und sucht in einer Fernfahrer-Gaststätte nach einer Mitfahrgelegenheit. Doch die Kapitäne der Landschaft stehen nicht so auf lockere Typen mit Gitarre und Rucksack. Weshalb er heimlich unter die Plane der Ladefläche eines IFA schlüpft. Als Karsten das Fahrzeug am Bestimmungsort entladen will, bemerkt er den blinden Passagier. Was nicht ohne ist, denn ohne Passierschein darf man nicht auf das Gelände der VEB Volkswerft Stralsund. Ein Fall für den Werkschutz? Karsten sieht das locker und schleppt Ekke erst 'mal ins Personalbüro. Schlosser können sie dort gut gebrauchen, und ein paar Mark zur Aufbesserung des Ferienbudgets sind auch nicht schlecht.

Die beiden in etwa Gleichaltrigen kommen in einem besonderen Arbeiterwohnheim unter, dem ehemaligen Urlauberschiff Fritz Heckert. Und landen beim wesentlich älteren Paddy (Günter Schubert) in der Kabine. Der Thüringer Gemütsmensch spricht zwar vom „schwimmenden Arbeiterkloster“ ohne Tabak, Alkohol und Miezen, weiß es aber eigentlich besser, schäkert er doch abends in der Heckert-Kneipe mit der Kranführerin Carola (Karin Schröder), einer lebenslustigen alleinerziehenden Mutter zweier Kinder von unterschiedlichen Vätern, herum.

Die auch Karsten gefällt. Was sich Carola, die abends auf der Heckert als Bedienung aushilft, schon um unter Leute zu kommen, gern gefallen lässt. Aber nur bis zur Bushaltestelle, um nicht ins Gerede zu kommen in der Siedlung, in der nur Werftarbeiter wohnen. Denn den leichtlebigen Schönling Karsten, von allen nur „Blondie“ genannt, kann sie sich nicht wirklich als Stiefvater ihrer Kinder vorstellen. Und von unzuverlässigen Kerlen hat sie nun wirklich genug.

Paddy, das wäre eine Möglichkeit. Aber der hat längst ein Auge auf Rita (Katarina Tomaschewsky) geworfen. Mit der sich freilich auch Karsten fürs Kino verabredet hat in der Hoffnung auf mehr. Doch ein unaufschiebbarer Termin beim Wehrkreiskommando bringt unvermutet Paddy ins Spiel, der für seinen neuen Kabinennachbarn einspringt und die feurige Rita sogleich für den Abend in die Tanzbar Trocadero abschleppt. Die scheint keineswegs abgeneigt, sich an die starke Schulter Paddys anzulehnen. Aber auch aus einem anderen Grund hat Karsten schlechte Karten: in der Bar herrscht Schlipszwang...

Auch Ekke macht so seine Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht - und das zunächst zur lautstarken Schadenfreude aller anderen ganz handfest: Als er die äußerst attraktive Elektrikerin Solveig (Martina Wilke) auf recht plumpe Weise anmacht, landet er kurzerhand im Feuerlöschteig. Bei der so schönen wie klugen Judo-Meisterin scheint er an die Falsche geraten zu sein. Aber zum Glück trügt der Schein: „Du brauchst nicht zu bitten, du brauchst mich nur anzusehen“ kann er ihr später liebevoll ins Ohr säuseln. Denn die überzeugte Genossin will den Hallodri nicht nur auf politisch-moralische Tugendpfade bugsieren, sondern auch selbst etwas von ihm haben.

Aber erst 'mal geht’s mit dem „Rasenden Roland“ unter Dampf zu Karstens Tante Meta (Inge Hesse-Peters). Die Hebamme im Ruhestand sei „fromm, aber lustig“, wie Ekke erläutert wird. Der verwundert vor einem Gruppenbild mit sowjetischen Soldaten in der Familienecke ihres gemütlichen Häuschens stehen bleibt: Meta hat sich als junge Frau in den letzten Kriegstagen gegen den Befehl von SS-Offizieren gewehrt, dass eine Schleuse gesprengt werden sollte. Als ihr Strick bereits am Kastanienbaum hing, ist sie im letzten Augenblick von Rotarmisten gerettet worden. Meta ist zwar schon ein wenig klapprig, steht aber was den Kopf betrifft mitten im Leben – und kann Ekke, den so allerhand private Dinge aus der Vergangenheit drücken, wieder aufbauen.

Der beschließt, die Urlaubspläne auf Rügen sausen zu lassen und lieber auf der Berufsschule der Werft die Bank zu drücken - für den Schweißerpass. Als er den in der Tasche hat, könnte er sich vorstellen zu bleiben. Zumal Solveig und er jetzt ein Paar sind. Doch mit gewissen Neuerervorschlägen macht er sich unbeliebt, besonders Jennerjahn (Rudolf Ulrich) hat ihn auf dem Kieker. Der hat ständig Ärger mit seiner um zwanzig Jahre jüngeren Frau und lässt diesen an dem Neuen aus. Da muss der alte Haudegen Bakalla (Bruno Carstens), der Ekke gleich zu Anfang bereits in der leidigen „Kielschwein“-Angelegenheit aus der Patsche geholfen hat, noch mal ran und mit dem Brigadier Gildemeister (Jürgen Zartmann) ein paar sorgfältig gewählte Worte sprechen.

Am Ende kommt Ekke in eine andere Brigade zur nagelneuen Plasmabrennmaschine und Karsten, der nicht länger das fünfte Rad am Wagen der beiden Paare – auch Paddy und Rita haben zueinander gefunden – sein will, heuert bei der Marine an. Womit er sich einen langgehegten Wunsch erfüllt...

„Schwerpunkteinsatz“ auf der Werft mit zahllosen Überstunden, weil es an der notwendigen Koordination fehlt, alleinerziehende Mutter zweier Kinder unterschiedlicher Väter als Zielscheibe für spitze Bemerkungen im Kreis männlicher Kollegen, Krawattenzwang im Tanzclub mit bestechlichem Türsteher und wie das Problem gelöst wird, indem zwei Volkspolizisten Fünfe gerade sein lassen: Selbst in einer reinen Unterhaltungskomödie fürs Adlershofer Fernsehen wie „Zugvogel am Sund“ bauen die Babelsberger Filmemacher des Defa-Studios für Spielfilme, PL Dr. Walter Kronenthal, kleine Stolperfallen ein anno 1978, die dem Publikum bei der Erstausstrahlung im Fernsehen der DDR sicherlich nicht verborgen geblieben sind. Das tolle Schauspielerensemble hilft über manche allzu seichte Passage hinweg.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2296 m, 84 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor
Aufführung:

Uraufführung (DD): 13.05.1979, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Zugvogel am Sund

Fassungen

Original

Länge:
2296 m, 84 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor
Aufführung:

Uraufführung (DD): 13.05.1979, DDR-TV