Inhalt
Bei der Ernte wird auch sonntags gearbeitet. Der Stall muss immer saubergefegt sein, und wenn die Mutterkuh ihr Kalb nicht annimmt, wird es von Hand aufgezogen. Marko ist Auszubildender in einem großen Agrarbetrieb im Nuthe-Urstromtal, 60 Kilometer südlich von Berlin. Besteht er seine Abschlussprüfung, ist er Landwirt. Ob er das überhaupt sein will, weiß er nicht. Außerhalb der Arbeit hat er kaum Kontakte, die elf anderen Lehrlinge halten ihn für einen verschlossenen Einzelgänger. Aber als Jacob, ein neuer Praktikant, im Betrieb auftaucht, wagt sich Marko langsam aus der Rolle des Außenseiters heraus. Bei der Ernte, beim Abfahren des Getreides und beim Umbuchten der Kälber kommen die beiden jungen Männer sich näher. Für einen Tag reißen sie nach Berlin aus, und danach ist nichts mehr wie zuvor. Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Doch keiner von beiden hat sich bislang gefragt, wie – und vor allem wie offen – er leben will.
Benjamin Cantu: "Die Überzeugung, dass ich einen improvisierten Spielfilm drehen kann, in dem die Lehrlinge und Mitarbeiter eines landwirtschaftlichen Betriebs ein selbstverständlicher Teil meiner Geschichte werden, gewann ich während der Recherche, als ich auf dem Betriebshof ausgeholfen habe. Mich hat die Lebenswirklichkeit dieser Menschen interessiert, nicht zuletzt, weil sie ganz anders ist als meine. Dass die Stadt, obwohl sie so nah ist, für sie keine Rolle spielt, erstaunte mich. Gemeinsam mit ihnen und beeinflusst durch die Art, wie sie miteinander umgehen und sprechen, entstand die Geschichte von ′Stadt Land Fluss′."
Quelle: 61. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Begründung:
Ein Film, in dem ein alternder Schriftsteller eine Mode-Fotografin liebt, die mit einem Banker verheiratet ist, läßt sich schnell aus dem Ärmel schütteln. Die Suite, das Auto, die Cote d'Azur, zehn Millionen und ein Studio. Fertig.
Jedoch Stadt Land Fluss mit einer derart sensiblen, lyrischen Liebesgeschichte im heutigen ländlichen Alltag anzusiedeln, gedreht aus der Hand fast ohne Seitenlicht und Kante, aber mit dem haarscharf richtigen Schwenk in der wichtigsten Sekunde, ohne Deko, gemischt mit Laien, die zwei „zeitversetzten“ Blickwechsel von A zu B und dann von B zu A, (siehe auch Plakat/DVD-Cover), die vielen anderen unauffälligen Feinheiten – all das sagt so unendlich viel ohne Dialoge, das ist hohe Filmkunst.
Was natürlich nicht gegen die Dialoge spricht. Auch die Laien, nicht nur die Lehrausbilderin, sind die reine Wonne. Eine Profischauspielerin hätte da gestört. Daß einige Dialoge insbesondere mit/zwischen Laien akustisch nicht immer klar verständlich sind, mag den Umständen geschuldet sein, mag mancher wegen der Laien dann sperrig wirkenden Wiederholung einer Einstellung vorzuziehen gewesen sein. (Abgesehen davon, dass Filmton neuerdings häufig nicht gut ist. Verzeihung, ich war mal Film-Mischtonmeister.) Einige Dialoge zwischen den Hauptakteuren hätten aber vielleicht doch nachsynchronisiert werden sollen. Nun ja.
Bei manchen akustisch schlecht verständlichen Dialogen ist allerdings nur wichtig, DASS sie stattfinden und dass sie SO stattfinden. -
Warum ich mich mit der angeblichen Improvisation nicht abfinden will, soll an eigenem Beispiel erläutert werden. Ich habe lange Zeit Fernsehunterhaltung produziert. Darunter eine Sendereihe mit viel Musik, die wirken sollte wie die Reportage von einer öffentlichen Veranstaltung. 16mm-Film, nur Handkamera, Arri16 mit großer Kassette, Einstellungslänge bis zu 10 min. Gesamtlänge der Sendung ca. 40 min, bestehend dann aus 4 bis 6 Einstellungen. Ohne Deko, ohne Lichteffekte, erforderliche Grafiken auf Hafa gezeichnet und vor die Kamera gehalten. Ein Tag Probe ohne Publikum, ein Tag Produktion mit echtem, unbezahltem jugendlichem Publikum, ein Tag Endfertigung ohne Flmtonmischung. Denn die erfolgte bereits auf dem Tonwagen während des Drehs einstellungsweise. Also nur zusammenkleben und senden. Die Kamera hatte zum Teil endlos lange Gänge. Aber sie musste auf die Sekunde genau ihren geplanten neuen Standort erreichen, mußte unterwegs Publikum sanft zur Seite schieben, auf die Sekunde genau den richtigen Schwenk, die richtige Ranfahrt machen.
Es war meine Idee, es war mein gar nicht so kleines Risiko. Es klappte. Blieb eine sehr kostenarme Ausnahmeproduktion und wurde Fernsehgeschichte. –
Meine Inszenierung war höchst gründlich vorbereitet, lief dank Vorbereitung reibungslos ab, musste aber auf unvorhersehbares beim Drehen sofort, während die Kamera lief, reagieren und von mir korrigiert werden können. Jedes Neudrehen einer der sehr langen Einstellungen hätte die Gesamtstimmung beim Publikum versauen können. Denn hunderte Jugendliche verlieren dann den Spaß am Dreimal-dasselbe-tanzen. Nur ganz selten ging es schief und musste, oft nur teilweise, wiederholt werden.
In meinem jüngsten, komplett allein produzierten Film (eine feuilletonistische, unterhaltsame Dokumentation mit wahren Märchen - egal ob es diese Kategorie gibt oder nicht) brauchte ich hie und da Sequenzen, die thematische Übergänge schaffen, aber natürlich „zufällig“ aussehen sollten. Ich bat Laien (alles während einer großen Openair-Veranstaltung) bloß mal dies oder das zu tun. Und hoffte, dass dies so ablaufen würde, wie ich wollte. Erst am fertigen Film sahen diese Laien, wie es gemeint war.
Wozu diese langatmige Selbstdarstellung?
Ich erlaube mir zu behaupten, daß diese Drehmethode – eingedenk der Tatsache, dass alle Vergleiche hinken – nicht unähnlich war der Inszenierung von Stadt Land Fluss, wenn auch weder dramatisch noch in seiner Sensibilität Stadt Land Fluss das Wasser reichen könnend.
Gründlich inszenierte Improvisation. Zu dieser Definition würde ich mich erweichen lassen.
Zudem ist die Fusion aus Profischauspielern und Laien perfekt.
Hinzu kommt, dass es vielleicht nicht in allen Gegenden Deutschlands so möglich gewesen wäre wie in Jänickendorf. Ich erlaube mir diese Ansicht, weil mir die Lebensweise, das Umgangsklima in dieser Gegend sehr vertraut ist. Ich lebe in einem kleinen Städtchen nicht weit von dort. Ich kenne auch die „Panzerkute“ usw.
Als vom Thema abschweifenden Abschluß sei zu Lukas Steltner angemerkt, dass ich zwar nie Breakdancer war, in meiner heißesten Rockzeit in den 1970ern allerdings manchmal gebeten wurde, mich auf der Tanzfläche bei den Figuren, die ich erfand während ich sie ausführte, etwas weniger ausschweifend zu bewegen, damit andere Leute auch noch bissel Platz zum Tanz fänden ohne Gefahr für Leib und Leben. Weil mein Körpergewicht sich nur aus dem zusammensetzte, was der Mensch zum Leben braucht und kein Gramm mehr, kam ich nie in Atemnot. Ich studierte ebenfalls einen anständigen Beruf, bevor ich ganz was anderes tat. Und Steltner möge es gelassen hinnehmen, dass mir bei ihm plötzlich der Name River Phoenix in den Sinn kam.
Sowas kann doch mal passieren, nicht wahr, Kai-Michael Müller?
Bei der Latzhose den Pulli drüber zu stülpen, um aus dem Berufsleben schnell mal ins private Leben zu wechseln, das ist bei mir schon lange üblich.
Herzlichen Dank für diesen angeblich improvisierten Spielfilm, den man mindestens zweimal angucken sollte, um alles darin einmal mitzukriegen.
Nicht „improvisatorisch“ ansehen, sondern bei ausgeschaltetem Handy.
Mühlenjimmy