Inhalt
Erste Verfilmung des Kinderbuchs von Erich Kästner um die Freundschaft zweier Kinder, die aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen kommen: Pünktchen ist die Tochter eines steinreichen Fabrikdirektors, deren Eltern sich nicht sonderlich viel um sie kümmern; Anton muss für seine arme, kranke Mutter sorgen und sogar selbst etwas dazuverdienen, sodass seine Leistungen in der Schule nachlassen. Um Anton zu helfen, stiehlt Pünktchen der Köchin Streichhölzer und verkauft sie auf der Straße. Als Anton einen Einbruch in die Villa von Pünktchens Eltern vereitelt, erkennen diese, dass sie sich zuwenig um ihr Kind gekümmert haben und beschließen eine Ferienreise, zu der sie auch Anton und seine Mutter mitnehmen.
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Antons um vier Jahre jüngere Freundin Luise, genannt Pünktchen, Tochter des Strumpffabrikanten Pogge und seiner verwöhnten Gattin Eva, die beide nie Zeit für das aufgeweckte, hier auch arg altkluge Mädchen haben, will ihm helfen. Zum einen bei Lehrer Bremser, der, mit dem harten Leben seines Schülers konfrontiert, kostenlose Nachhilfe anbietet und den Jungen freistellt, bis seine Mutter wieder auf den Beinen ist. Zum anderen bei der Beschaffung von Geld für den ärztlich dringend empfohlenen Erholungsaufenthalt in den Alpen, den sich die Gasts nicht leisten können. Pünktchen stibitzt der Köchin Berta Streichhölzer, um sie nachts im Amüsierviertel Wiens für zehn Pfennig die Schachtel zu verkaufen, während ihre Erzieherin, Fräulein Andacht, mit dem charmanten Ganoven Robert im Cafe Sommerlatte das Tanzbein schwingt.
Ganz schön für den Anfang, bilanziert Pünktchen: 7,70 Mark nimmt sie in der ersten Nacht ein, bald kann sie Anton, als er sich bei Friseur Habekuss (Walter Varndal) die Haare schneiden lässt, heimlich einen Zehn-Mark-Schein in die Jackentasche stecken. Weil seine Mutter glaubt, er habe das Geld aus Frau Übelmanns Kasse gestohlen, nimmt Anton reißaus – und wird von Pünktchen, Dackel Piefke und ihrem Vertrauten, Papas Chauffeur Hollack, erst nach langer Suche außerhalb der Stadt an der Donau gefunden. Als die Pogges in der Oper sind und Pünktchen wieder einmal Streichhölzer an die Nachtschwärmer vertickt, sieht Anton, wie Gustav der Erzieherin die Schlüssel der Fabrikantenvilla aus der Handtasche klaut. Er kann die Köchin Berta warnen, die mit dem hölzernen Schnitzel-Klopfer (statt der Turnkeule im Roman) den Einbrecher überwältigt, noch bevor die Polizei eintrifft.
Währenddessen hat Antons stets auf ihn eifersüchtiger Klassenkamerad Klepperbein dem Ehepaar Pogge in der Opern-Pause gesteckt, was ihre Tochter in der Nacht so treibt. Beinahe hätte ein Polizei-Oberwachtmeister (Otto Wögerer) die glückliche Familienzusammenführung verhindert, weil Pünktchen ihm kurz zuvor einen Betrunkenen (Hermann Erhardt) als Vater bezeichnet hat. Doch bald klärt sich alles auf, auch Antons Verdienst um die Verhinderung des Diebstahls. Eva Pogge, die schon bereit war, den Avancen ihres Jugendfreundes Lutz Höllriegel nachzugeben und den Rennfahrer zu einem Wettbewerb nach Monaco zu begleiten, entdeckt die liebevolle Mutter hinter der sorgfältig geschminkten Fassade des Luxusweibes. Urlaub wird nun in den Alpen gemacht – zusammen mit Anton und seiner Mutter…
„Kind aus gutem Hause nachts mit Bettlerin auf der Weidendammer Brücke entdeckt“ lautete die Zeitungsnotiz, die Erich Kästner zur Grundlage seines Ende 1931 bei Williams in Berlin erschienenen Romans und seines beinahe zeitgleich am Deutschen Theater uraufgeführten Theaterstücks nahm. Luise ist die Tochter eines Spazierstockfabrikanten und Anton der Sohn einer armen Kriegerwitwe. Die beide im Berlin der 1930er Jahre nachts bettelnd Streichhölzer und Schnürsenkel verkaufen: Anton zum Überleben, und Pünktchen, um ihr Kindermädchen zu unterstützen. Und am Ende gemeinsam ein Verbrechen aufdecken. Kästner hat in seinem zweiten Jugendbuch die Schere zwischen Hummer und Kaviar auf der einen, Armut und Massenarbeitslosigkeit als Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf der anderen Seite thematisiert.
Die erste deutsche Verfilmung durch Thomas Engel, bereits in den 1930er Jahren soll es englische und spanische Vorläufer gegeben haben, ist im Sommer 1953 in Wien entstanden und bereits am 27. August des gleichen Jahres zeitgleich mit dem deutschen Kinostart in Frankfurt/Main uraufgeführt worden (die Österreich-Premiere war am 11. September 1953 in Wien). Sie verlegt die Handlung in die 1950er-Nachkriegszeit und von Berlin nach Wien, orientiert sich aber eng an der Romanvorlage. Wobei Engel stärker die seelische Vernachlässigung Pünktchens in den Vordergrund rückt als die Ausbeutung Antons. Und die Erpressung durch „Robert den Teufel“ ebenso streicht wie das zuckrige Finale: bei Kästner ziehen Anton und seine Mutter, welche die Stellung des geflohenen Kindermädchens einnimmt, in die Fabrikantenvilla ein. Der gut neunzigminütige Film, der am 7. September 1954 bei den Int. Filmfestspielen Venedig lief (ital. Titel „Antonio e Virgoletta“), ist um fünf Minuten gekürzt am 23. April 1962 im Deutschen Fernsehen (ARD) erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann