Potsdam in Amateuraufnahmen von Hubert Globisch 1944 bis ca. 1955
BR Deutschland
1944-1955
Amateurfilm
Credits
Regie
Kamera
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Titel
- Originaltitel (DE) Potsdam in Amateuraufnahmen von Hubert Globisch 1944 bis ca. 1955
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Nach dem Abitur 1933 am Potsdamer Realgymnasium nahm er an Aktzeichnungskursen des Potsdamer Kunstvereins teil, absolvierte aber eine kaufmännische Lehre bei der Deutschen Bank in Potsdam, bevor er sich bis Kriegsende 1945 dem neuen Medium Fernsehen zuwandte als Angestellter im Bereich Planung der Deutschen Reichspost. Zunächst als freiberuflicher Maler und Grafiker bei der Hager-Filmwerbung in Potsdam tätig, studierte er sechs Semester als Gasthörer bei Maximilian Debus an der Hochschule für bildende Künste Berlin und zwei Semester an der Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe in Berlin-Friedrichshain.
Seinen Lebensunterhalt sicherte sich Hubert Globisch zunächst als Gebrauchsgraphiker mehrerer DDR-Theater und bis in die 1980er Jahre durch Kunst am Bau bei verschiedenen Projekten in Brandenburg. Insgesamt 21 Jahre hat er als Kunstpädagoge gewirkt an der Beethoven-Oberschule in Babelsberg und am (heutigen) Humboldt-Gymnasium in Potsdam. Zudem leitete er mehrere Zeichenzirkel, zuletzt bei der Volkshochschule, wo er auch kunstgeschichtliche Dia-Vorträge hielt.
Er erlebte den verheerenden Luftangriff auf seine Heimatstadt am 14. April 1945 mit - und war der Einzige, der die Folgen unmittelbar im bewegten Bild festhielt. Später montierte er die heute einzigartigen Aufnahmen aus der Kriegszeit mit Szenen des Wiederaufbaus in der DDR, wobei sich die Restauration der Kuppel der Nikolaikirche wie ein Roter Faden durch den ersten, knapp 14-minütigen Teil der vom Bundesarchiv restaurierten und betitelten Kompilation zweier eigenständiger Filme zieht.
Potsdam (so Globischs Titel des ersten Films). Durch die noch unzerstörte Stadtmitte mit Schloss und Nikolaikirche marschiert ein langer Trauerzug von Wehrmachtssoldaten und NS-Organisationen zur Beisetzung eines ungenannten Offiziers und wohl auch höheren Parteigenossen. Als Schnee auf den Straßen liegt, künden mit Holz geschützte Fensterläden geschlossener Geschäfte vom Kriegsgeschehen, das sich immer mehr in Richtung Reichshauptstadt verlagert. Sirenen warnen vor einer Bomberstaffel, die aus der Froschperspektive kurz zu sehen ist. Lodernde Brände und Trümmergrundstücke zeigen die verheerenden Auswirkungen des Krieges. Ein surreales Bild: nackte Fassadenreste und aus dem Schutt ragende Kaminschornsteine.
Trümmerfrauen, darunter Globischs erste Gattin Anneliese Heller, werfen kaputte Ziegel von den Dächern noch einigermaßen intakter Häuser. Eine einsame Rote Fahne mit dem Symbol der Sowjetunion hängt aus einem Fenster. Der Wiederaufbau hat begonnen, symbolisch steht dafür die Kuppel der Nikolaikirche.
Der Schrifteinblendung „Ende“ folgt eine Episode aus dem Winter 1945/46: Zwei Frauen, darunter die Gattin des Dokfilmers, ziehen mit einem Handkarren durch Potsdam, um bei einem Händler Kohlen zu erwerben. Unterwegs klauben sie offenbar von anderen Wagen bzw. größeren Fahrzeugen heruntergefallene Kohlenstücke auf. Das Wort „Ende“ ist hier mit weißer Farbe auf ein Brikettstück gemalt.
Hubert Globisch hat im September 2.000 sein Filmmaterial dem Bundesarchiv übergeben. Warum der ganz offenbar in sich geschlossene historische Potsdam-Film nach der Digitalisierung um die angehängten privaten Familienaufnahmen erweitert worden ist, lässt sich laut Ralf Forster nicht sagen. Der Sammlungsleiter des Filmmuseum Potsdam hat „Potsdam in Amateuraufnahmen…“ am 23. Januar 2022 im Rahmen der von ihm kuratierten Reihe „Brandenburgs Filmerbe entdecken“ erstmals öffentlich gezeigt.
Hubert Globisch gilt zwar als Amateurfilmer, er hat aber stets mit künstlerischen Mitteln gearbeitet im Rahmen seiner bescheidenen technischen Möglichkeiten, so hier mit einer über die reine Dokumentation hinausgehenden Montage auch unter Verwendung einiger historischer Fotos. Sein Interesser galt, so Ralf Forster, dem Wiederaufbau der historischen Mitte Potsdams. Die DDR ließ aus ideologischen Gründen neben der Garnisonkirche und dem Stadtschloss auch zahlreiche weitere Zeugen der feudalen und großbürgerlichen Vorkriegs-Gesellschaft schleifen. Nun kann eine Rekonstruktion nur mit dem Kompromiss einer kommerziellen oder, wie beim Schloss, einer staatlichen Nutzung erfolgen.
Pitt Herrmann