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Dokumentarfilm über das Leben der französisch-schweizerischen Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalle (1930-2002). Mit ihren "Schießbildern", den Nana-Figuren und einigen grotesken Experimentalfilmen erlangte die Künstlerin ab den 1950er Jahren weltweite Berühmtheit. Ihre Kunst thematisierte häufig ihr seit Missbrauchserfahrungen in der Kindheit sehr problematisches Verhältnis zu Männern.
Saint Phalle kommentiert im Film ihre teils begeisternden, teils schockierenden Werke, außerdem wird sie anhand von Ausschnitten ihrer Filme "Daddy", "Niki" und "Un rêve plus long que la nuit" vorgestellt. Der Film zeigt dabei ihre persönliche Entwicklung von einer "Terroristin der Kunst" zu einer Künstlerin, die ihren Hass überwunden hat.
Eine wichtige Rolle spielt auch Nikis Ehemann, der Bildhauer Jean Tinguely, mit dem sie eine außergewöhnliche Künstlerehe führte. Mit ihm inszenierte sie u.a. 1962 eine Anti-Atom-Kunstaktion. Nach seinem Tod 1991 vollendete Saint Phalle seine bereits 1969 begonnene Skulptur "Kopf/Le Cyclop" im Wald von Fontainebleau.
Der Film begleitet Niki de Saint Phalle bis nach San Diego, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes wegen einer Atemwegserkrankung übersiedelte.
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„Statt Terroristin zu werden, wurde ich Terroristin der Kunst“: Die in Paris geborene und in den USA aufgewachsene französisch-schweizerisch-amerikanische Künstlerin äußert sich zu ihren „Tirs“ genannten Schieß-Happenings der frühen 1960er Jahre und zur Entstehung ihrer dicken, bunten Nana-Figuren als alles verschlingende Ur-Mütter - und deutliches Emanzipations-Zeichen im von Männern beherrschten Kunstbetrieb. Sie spricht über ihre großen Architekturplastiken wie der Hon-Kathedralfrau in Stockholm und dem Jerusalemer Golem, stellt ihren Tarot-Skulpturengarten in der Toskana vor (dessen Eröffnungsfeier bildet den Rahmen des Films) und kommentiert Ausschnitte aus ihren Experimentalfilmen, darunter ihrem mit dem Dokfilmer Peter Whitehead entstandenen ersten Spielfilm „Daddy“, den Peter Schamoni 1972 zusammen mit Tom G. Neumann produziert hat. Dieser von Sigmund Freud inspirierten, aber auch durch eigene Kindheitserlebnisse mit dem Banken-Bankrotteur Comte de Saint Phalle („Wir stammen von den Kreuzrittern ab“) grundierten Vater-Tochter-Geschichte folgt im Jahr darauf ihre Autobiographie „Mon Secret“.
Ein halbes Dutzend Kameraleute drehten in Belgien, Deutschland, Frankreich und Italien, aber auch in Israel, in Kanada und den USA. Dabei versucht Schamoni, aus der Biographie Niki de Saint Phalles ihre künstlerische Entwicklung bis hin zu den jüngsten kinetischen Arbeiten, die in ihrem neuen, gesundheitlich bedingten amerikanischen Domizil entstehen, aufzuzeigen. Mit ihnen will sie die gemeinsame Arbeit mit Tinguely auf symbiotische Weise fortsetzen. Anders als bei seinem Max-Ernst-Epos mangelt es Schamoni hier allerdings an der Distanz des Dokfilmers: er ist seit einem Vierteljahrhundert mit der Person und dem Werk Niki de Saint Phalles, die sich praktisch selbst darstellen kann mit häufig allzu plakativen Statements, zu sehr vertraut. Zu aufdringlich bisweilen auch die programmatisch eingesetzte Musik von Frédéric Chopin, Eric Satie, Igor Strawinsky und Philipp Glass.
Die 93-minütige Hommage, auf der Int. Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1995 (heute DOK Leipzig) uraufgeführt, ist mit dem Bayerischen Filmpreis 1995 der Sparte „Dokumentarfilm“ ausgezeichnet worden. Koproduzent Arte strahlte den Film anlässlich der großen Niki de Saint Phalle-Retrospektive im Pariser Grand Palais im September 2014 erstmals im Fernsehen aus. Schamoni hat ihn Pontus Hultén gewidmet, dem schwedischen Kunsthistoriker mit bürgerlichem Namen Karl Gunnar, der als Gründungsrektor führender Museen wie Tinguely in Basel, Moderna Museet in Stockholm, Centre Georges Pompidou in Paris sowie der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn das Künstlerpaar über Jahrzehnte begleitet und gefördert hat.
Pitt Herrmann