Inhalt
Im Auftrag der NATO taucht zu Beginn der sechziger Jahre ein Deutscher in dem englischen Ort Rocksmouth auf. Die NATO will hier einen Flottenstützpunkt errichten, zuvor aber soll der deutsche Gesandte ein altes Schiffswrack heben: Die "Princess of India" sollte 1942 Kinder ins sichere Kanada bringen, wurde aber nach dem Auslaufen von einem deutschen U-Boot versenkt. 58 Menschen kamen dabei ums Leben, die meisten von ihnen Kinder. Der Taucher Bill Smith gehört zu den Überlebenden der Katastrophe. Obwohl er sich gerade erst mit Bessy verlobt hat, die dieses dunkle Kapitel endlich hinter sich lassen möchte, beginnt Bill zu recherchieren. Er findet heraus, dass es sich bei dem Deutschen um Eberhard Wedel handelt, jenen U-Boot-Kapitän, der die "Princess of India" torpedieren ließ. Als Wedel wenig später tot im See aufgefunden wird, soll ein Gerichtsprozess klären, ob Bill der Täter ist.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Was gerade hier nicht so einfach ist: eine Glockenboje unweit der Hafeneinfahrt erinnert die Bewohner rund um die Uhr an eine Katastrophe, bei der im September 1942 rund 60 Kinder, die ins vor deutschen Angriffen sichere Kanada verschifft werden sollten, getötet wurden. Zum Gedenken an den Untergang des von einem deutschen U-Boot torpedierten Transportschiffes „Princess of India“ kommen jährlich Angehörige der Opfer am 20. September in Rocksmouth zusammen, um Blumen über der Unglücksstelle auszustreuen. Und Überlebende wie besagter Bill Smith, heute der beste Taucher der Region, und Mrs. Lindsay, die als Krankenschwester auf dem Schiff eingesetzt war. Ihre Tochter Catherine (Helga Zach), Bills Spielkameradin (als Kind: Gerald Krüger), schaffte es nicht mehr rechtzeitig in die Rettungsboote.
Zu einem wahrlich ungünstigen Zeitpunkt ist der deutsche Unternehmer Eberhard Wedel in die kleine, vom Fischfang lebende Hafenstadt gekommen, um mit den Londoner Partnern Mr. Wolesley (Siegfried Weiß) und Mr. Edwards ein Großprojekt auf den Weg zu bringen, dass das Leben in Rocksmouth gründlich verändern würde, weshalb die Verhandlungen mit dem heimischen Grundstücksbesitzer Hardy geheim in einem Hinterzimmer des Hotels geführt werden: Der Deutsche will hier einen Ölhafen errichten, dem nicht nur die bestehende Fischfabrik im Wege steht, sondern auch das Wrack der „Princess of India“. Naturgemäß erhält der Hotelbesitzer Hyde Wind von der Sache und kauft Hardy für eine horrende Summe ein seit langem wertlos gewordenes Grundstück mit maroden Fabrikhallen ab – in der Hoffnung, der Ölhafen entstünde hier.
In Wirklichkeit aber soll hier ein Flottenstützpunkt des Nordatlantikpaktes errichtet werden und der westdeutsche Unternehmer betreibt im Auftrag der Nato die Hebung der „Princess of India“. Was besonders brisant ist, wie Bill Smith, der sich zunächst als Taucher verweigert, und nach ihm Mr. Hyde herausbekommen, als sie Wedels Zimmer heimlich durchsuchen: Bei dem Deutschen handelt es sich um den U-Boot-Kommandanten, der alle SOS-Rufe des Transportschiffes samt der Funksprüche, dass sich Kinder an Bord befänden, ignorierte, um wieder einen Kreidestrich mehr auf seiner Abschussliste im Torpedoraum setzen zu können.
Bills designierter Schwiegervater und heutiger Polizeiinspektor Benson (Johannes Arpe verstarb während der Dreharbeiten, weshalb zwei Szenen mit einem Double nachgedreht werden mussten) hatte in der besagten Septembernacht Funkdienst, verschwieg sein Wissen aber lange Zeit auf Drängen seiner Vorgesetzten, die jeden Skandal um den Nato-Partner Westdeutschland vermeiden wollten. Doch nun ist Eberhard Wedel tot aufgefunden worden und der umtriebige Unterinspektor Stone hat ausgerechnet Bensons alten Kriegsrevolver am vermutlichen Tatort, dem Hafenkai, gefunden. Aus dem freilich nicht geschossen worden ist, dennoch werden sogleich Bill Smith und Mr. Hyde, der sich durch den Grundstückskauf in die Pleite geritten hat, des Mordes verdächtigt. Und Bill, dessen Eltern bei einem deutschen Bombenangriff auf London ums Leben kamen und der als Vollwaise über den Großen Teich in Sicherheit gebracht werden sollte, tut nichts, um den Verdacht gegen sich auszuräumen. Im Gegenteil, er bezichtigt sich der Tat, nachdem sich Indizien gegen den Hotelier verdichtet haben.
Selbst seinem Pflichtverteidiger macht er durch konsequentes Schweigen das Leben schwer. Doch der junge Jurist, der seinen ersten Mordfall bearbeitet, hat Ehrgeiz und Witz genug, um selbst Ermittlungen anzustellen. Auf unkonventionelle Art kommt er hinter die grausamen Zusammenhänge, wobei ihm mancher Zufall hilft – und die Bekanntschaft mit dem Milchmann im motorisierten Rollstuhl: Harry Growe ist als deutscher Soldat in britische Kriegsgefangenschaft geraten und auf der Insel geblieben. Seit Jahren gut befreundet mit Bill Smith kann der dem Vorsitzenden des Gerichts den wahren Verlauf der scheinbaren Mordnacht aus eigener Anschauung schildern – und die voreingenommenen Anschuldigungen des Staatsanwaltes ad absurdum führen. Am nicht wirklich guten Ende wird Bill freigesprochen, Hardy schließt unter lautstarkem Protest der macht- und nun auch arbeitslosen Arbeiter seine Fischfabrik und der Militärhafen kann errichtet werden...
Von der hochspannenden Mischung aus Politik-, Kriminal- und Gerichtsstreifen schien keine 35 mm-Kopie zu existieren, weshalb die Defa-Stiftung eine digitale DCP-Kopie finanzierte, deren Premiere am 1. November 2019 im Berliner Zeughauskino im Rahmen der Reihe „Wiederentdeckt“ stattfand. Die nicht dadurch überflüssig geworden ist, dass dann doch noch im Bundesarchiv eine 35mm-Kopie aufgetaucht ist.
Was bei der digitalen Fassung von der ersten Minute an im wörtlichen Sinn ins Auge sticht ist die enorme Klarheit und Tiefenschärfe der Bilder der beiden Kameraleute. Joachim Haslers vierter Spielfilm, er hatte bei der Defa in den 1950er Jahren zunächst als Fotograf, dann als Kameramann begonnen, bevor er 1957 ins Spielfilmstudio und zur von Konrad Wolf geleiteten Künstlerischen Arbeitsgruppe Heinrich Greif wechselte, entstand auf der Höhe des Kalten Krieges (Kuba-Krise) ein Jahr nach dem Mauerbau.
„Nebel“ beeindruckt nicht nur durch seine innovative Filmsprache in Lichtsetzung, Tiefenschärfe und der Wahl ungewöhnlicher Perspektiven, sondern auch durch seine Besetzung gegen den Strich der Publikumserwartung, etwa bei Günther Simon. Die sozialistische Lichtgestalt, u.a. Ernst Thälmann, mutiert zum schlitzohrigen Rechtsanwalt, der ausrechenbare Heldendarsteller zum Charakterschauspieler. Was auch für den bisher nur als Komiker vom Dienst bekannten Werner Lierck gilt. Und Eberhard Esche, „der“ Star „des“ DDR-Staatstheaters, des Deutschen Theaters Berlin, glänzt in seiner ersten Filmrolle.
Pitt Herrmann