Motivsuche

DDR 1989/1990 Spielfilm

Inhalt

Der DDR-Dokumentarfilmer Rüdiger Stein ist auf historische Kompilationen und Auftragswerke spezialisiert, will aber endlich das "wirkliche Leben" einfangen. Als Protagonisten wählt er zwei junge Liebende, Klaus und Manuela, die zusammenziehen und eine Familie gründen wollen. Seine Dokumentation verläuft jedoch anders als geplant: Klaus und Manuela trennen sich, und auch der Filmemacher selbst erlebt das Scheitern sowohl seiner Beziehung wie seiner Karriere. Zuletzt muss er sich als Kellner durchschlagen, was Außenstehende irrtümlich als Recherchearbeit für seinen nächsten Film interpretieren.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Berlin 1989: Ein nicht mehr ganz junger, aber sichtlich gut gelaunter und von allen Kollegen herzlich gegrüßter Regisseur durchmisst schier endlose Flure des historischen Gebäudes in Berlin-Mitte: Der Defa-Regisseur Rüdiger Stein ist ein vielgefragter Filmemacher, da historische Themen seit geraumer Zeit hoch im Kurs stehen bei den staatlichen Auftraggebern. Dabei würde der Dokumentarist gerne einmal einen „richtigen“ Spielfilm drehen zu einem der in diesen so aufregenden wie aufgeregten Umbruchzeiten geradezu auf der Straße liegenden Themen.

Schließlich ist er schon 37 Jahre jung und wenn er daran denkt, was Rainer Werner Fassbinder in diesem Alter bereits alles gedreht hat, brennt es ihm umso mehr unter den Fingern. Dabei kann Rüdiger mit sich und dem Dasein zufrieden sein: im Gegensatz zu seinem großen Vorbild übernimmt er auch Verantwortung für seine Lebensgefährtin Christa und die beiden gemeinsamen Kinder, mit denen er in einer großzügigen Altbauwohnung zusammenlebt. Und das Telegramm mit der nächsten Festival-Einladung ist auch gerade eingetroffen.

Sein Vorgesetzter Gerd, den er auf dem Hof trifft, hat nichts gegen einen aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Stoff, gibt nur zu bedenken, dass Rüdigers aktuelles Filmprojekt über Philipp Melanchthon, dem neben Martin Luther wichtigsten Akteur der Wittenberger Reformation, Vorrang genießt. Zumal, für harte Devisen, bereits 2.000 Meter Kodak-Material und die Reisekosten für das Team mit Kameramann Eddi (Edgar Nitzsche), seinem Assistenten (Dietrich Fabienke) und den Beleuchter (Jochen Falck) in den Bezirk Halle genehmigt worden sind.

Zufällig wird Rüdiger beim Bezirksamt am Alexanderplatz Zeuge eines Gesprächs zwischen der Sachbearbeiterin (Gisela Rubbel) und zwei 17-Jährigen, die sich um eine Wohnung bewerben: der Maurer Klaus und die Kellnerin Manuela (starkes Debüt der 15-jährigen Dorothea Rohde) werden Eltern. Er wohnt bisher bei seinem alkoholkranken Vater (Olaf Harald Walde), sie zusammen mit Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter Charlotte. Sogleich wittert Rüdiger den idealen Stoff für einen Gegenwartsfilm, auch wenn es erneut auf eine Dokumentation hinausläuft.

Er erreicht bei Gerd sogar einen Aufschub für das Melanchthon-Projekt, doch bereits der erste Drehtag wird zum Desaster: Nach einem heftigen Streit zwischen Manuela und Klaus muss das Filmteam unverrichteter Dinge wieder abziehen. „Familiengründung“ lautet der Arbeitstitel, doch die liegt in weiter Ferne, nachdem sich Manuela für eine Abtreibung entschieden hat. Doch Rüdiger lässt nicht locker, fährt mit Manuela zur befreundeten Ärztin Tanja (Anette Straube) in die Frauenklinik. Kaum kann sie die junge Frau umstimmen, gibt’s Probleme mit Klaus auf der Baustelle seiner Brigade, sodass der Filmemacher selbst den Hammer schwingt.

Das ganze Hin und Her geht dem Team dermaßen auf die Nerven, dass selbst Eddi froh ist, endlich in Wittenberg das Statement eines Theologen (Jürgen Clasen) drehen zu können. Doch Rüdiger ist nicht bei der Sache, und dann erhält er auch noch Besuch von der Jugendfürsorge: Frau Kiefert (Beate Hanspach) teilt ihm mit, dass Klaus‘ Vater gestorben ist. Sie bittet ihn auch im Namen des Jungen, die Vormundschaft zu übernehmen, sonst müsse Klaus ins Heim. Freundin Christa, die nach acht Jahren gerne Gattin geworden wäre, streikt: Jetzt hat Rüdiger noch weniger Zeit für die eigene Familie.

Die Situation eskaliert, beruflich und privat. Die Hebamme und der Oberarzt werfen das Filmteam aus dem Kreißsaal, nachdem Eddi noch vor der Geburt von Manuelas Kind ohnmächtig zusammengebrochen ist. „Wir sind unmerklich verspießert“: Die Dolmetscherin Christa, die bisher in Heimarbeit als Übersetzerin gearbeitet hat und nun endlich auch ein Stück Freiheit genießen will, setzt Rüdiger vor die Tür, sodass der bei seinem Großvater (Erwin Priefert) im Altenheimzimmer Unterschlupf sucht. Zu allem Übel hat sich Rüdiger auch noch eine Geschlechtskrankheit zugezogen, wobei offenbleibt, ob Christa, die aus Frust fremdgegangen ist, die Schuldige ist, denn auch Rüdiger hat eine Nacht zusammen mit seiner „Ex“, der Künstlerin Karla (Sybille Ruge), verbracht.

Und dann holt sich Rüdiger noch beim schlagfertigen Rocky (Mike Nater) eine blutige Nase, weil dieser statt Klaus Manuela ins Berliner Ensemble begleitet hat. Als er auch noch viel zu spät zum Drehtag in Wittenberg erscheint, ist die Defa für ihn Geschichte, auch wenn er selbst „aus Gründen der Selbstachtung“ kündigt. Während Klaus zur „Fahne“ in die Lutherstadt Eisleben abberufen wird, verschafft ihm Charlotte einen Job als Kellner bei der Weißen Flotte. Manuela ist inzwischen mit einem Stuckateur liiert…

Der Name ist Programm: „Motivsuche“ versucht ein ganzes Themenbündel unter einen Hut zu bekommen, so, als könne sich Dietmar Hochmuth nicht entscheiden angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten so kurz vor dem Ende der DDR.

Lothar Bisky, Professor für Film- und Fernsehwissenschaft und zur Drehzeit Rektor an der HFF Babelsberg, gibt eine Gastrolle. Das SED-Mitglied wurde erst später Abgeordneter in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Dietmar Hochmuth erhielt für „Motivsuche“ 1990 auf dem sechsten und letzten Nationalen Spielfilmfestival der DDR, das erstmals nicht in Karl-Marx-Stadt ausgetragen wurde, sondern im Berliner Kino „International“ (mit anschl. Präsentation der Filme im West-Berliner „Arsenal“), den „Findlingspreis“ der Filmclub-Jury. Es folgten Förderpreise beim Ophüls-Wettbewerb 1990 in Saarbrücken sowie 1991 von der Berliner Akademie der Künste.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
3047 m, 112 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 07.06.1990, Berlin, International;
TV-Erstsendung (DE): 26.01.1995, ORB

Titel

  • Originaltitel (DD) Motivsuche

Fassungen

Original

Länge:
3047 m, 112 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 07.06.1990, Berlin, International;
TV-Erstsendung (DE): 26.01.1995, ORB

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1990
  • Findlingspreis