Inhalt
Wien, Anfang des 20. Jahrhunderts. Die zweifache Mutter Hanna Leitner sehnt sich danach, ihrem beklemmenden bürgerlichen Umfeld und ihrem sexuell übergriffigen Ehemann Anton zu entfliehen. Sie beginnt eine Therapie bei dem jungen Psychoanalytiker Otto Gross, dem sie schließlich in die Schweiz folgt: in das Sanatorium Monte Verità bei Ascona, gegründet von der Musikpädagogin Ida Hofmann. Dort entdeckt Hanna ihre Faszination für die Fotografie. Sie lernt Persönlichkeiten wie Hermann Hesse und Lotte Hattemer kennen, und findet über die Kunst einen Weg zu sich selbst. Zugleich gelingt es ihr, die Ursachen ihrer Ängste und ihrer psychischen Probleme zu ergründen. Zwar wird sie auch von Schuldgefühlen gegenüber ihrer Familie geplagt, doch der Drang nach persönlicher Entfaltung und Freiheit ist stärker.
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Wir schreiben das Jahr 1906 und Wien ist die Hauptstadt Kakaniens, der k.u.k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Anton Leitner ist Fotograf mit Aufträgen aus der besseren Gesellschaft. Und Patriarch alter Schule: seiner jungen, vielfach interessierten und einst sicherlich lebenslustigen Gattin Hanna bleiben nur familiäre (Befehlsgewalt über die Dienerschaft) und eheliche Pflichten (lustloser Beischlaf nach seinem Gusto). Jegliche außerhäusliche oder gar berufliche Aktivität ist ihr strikt untersagt, auch nur das Berühren seiner Kameras. Dabei würde Hanna gern selbst das Fotografieren erlernen.
Kein Wunder, dass ihre Seele Schaden nimmt. Immer häufiger kommt es zu asthmatischen Anfällen, dann rettet sich Hanna auf die Couch – und in die Arme - des jungen Psychoanalytikers und Freud-Schülers Otto Gross, der, obwohl verheiratet, immer wieder intime Verhältnisse zu seinen Patientinnen unterhält. Als sich dieser eine Auszeit von seiner stark frequentierten Wiener Praxis nimmt, um sich für eine gewisse Zeit auf den Monte Verità unweit von Ascona zurückzuziehen, reift in Hanna der Entschluss, ihrem goldenen Käfig zu entkommen – in vollem Bewusstsein, ihre Kinder zu verlieren.
In der mediterranen Atmosphäre des südschweizerischen Tessin hat sich eine Gemeinschaft von Aussteigern, zu der die berühmte Tänzerin Isodora Duncan (Eleonora Chiocchini) ebenso gehört wie der angehende deutsche Schriftsteller Hermann Hesse, zurückgezogen, um frei von gesellschaftlichen Konventionen ein selbstbestimmt-freies Leben zu führen. Wozu auch die Freikörperkultur gehört, mit der Hanna Leitner noch fremdelt. Doch die Genesung von Geist, Körper und Seele in der Natur schreitet bei der 29-Jährigen voran. Sie legt ihre Selbstzweifel ab, freundet sich mit Ottos Frau Ida Hofmann an und entdeckt ihre Leidenschaft zur Fotografie.
Andererseits sieht sie sich in der fiebrig-asthmatischen, unter einer Bipolaren Störung leidenden und sich offenbar selbst schwer verletzenden Lotte Hattemer, Mitbegründerin der Kolonie neben Henri Oedenkoven (Michael Finger), mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert – zumindest in den Phasen ihrer Schuldgefühle gegenüber ihrer zurückgelassenen Familie. Anton Leitner ist nur bereit, die auf Spenden angewiesene „vegetabile Cooperative“ finanziell zu unterstützen, wenn Hanna endgültig auf ihre Kinder Helene (Tiana Distefano) und Marie (Alina Distefano) verzichtet…
„Monte Verità – Der Rausch der Freiheit“ ist ein Spielfilm, der sich genregemäß Freiheiten gegenüber der historischen Realität leistet. So verkörpert Julia Jentsch eine Fotografin, die ursprünglich Konzertpianistin werden wollte. In Wahrheit war Ida Hofmann eine erfolgreiche Pianistin und Musikpädagogin, bevor sie sich selbstbestimmt für ein alternatives Leben jenseits bürgerlicher Zwänge entschloss. Der Historienfilm fokussiert ganz auf die Emanzipation der von Maresi Rieger grandios, da völlig unspektakulär verkörperten Hanna Leitner in der Kommune, in der ahistorisch-heutig gesprochen wird. Am Ende schlägt Hanna ihren eigenen Weg ein – nach Italien.
Stefan Jäger im DCM-Presseheft: „In der fiktionalen Verdichtung glaubten wir etwas erzählen zu können, das stärker in die Gegenwart verweist als die objektive historische Rückschau. Zudem liegt in der Rückschau die Gefahr des Unvollständigen, besonders bei einem Ort wie dem Monte Verità, an dem so illustre Persönlichkeiten ein- und ausgingen wie Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, Anarchist Erich Mühsam oder die Künstlerin Sophie Taeuber-Arp. Insofern war in der Entwicklung des Stoffes zentral, einen Zeitraum zu finden, in dem Persönlichkeiten auf dem Berg lebten oder zu Gast waren, die unser Thema spiegeln und unsere fiktive Protagonistin herausfordern, um auf den Kern der Geschichte zu fokussieren: Wie kann die Befreiung der Protagonistin gelingen und zu welchem Preis?“
Pitt Herrmann