Inhalt
Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchs von Annette Mierswa: Die elfjährige Lola lebt mit ihrer Mutter Loretta auf einem alten, aber wunderschönen Hausboot, das den Namen "Erbse" trägt. Seit ihr Vater über Nacht die Familie verlassen hat, zieht das Mädchen sich immer öfter in eine Traumwelt zurück. Der alte Kapitän Solmsen ist ihr bester Freund und zugleich eine Art Vaterersatz. Einen weiteren Freund hat Lola in ihrem neuen Mitschüler Rebin, der als Kurde ebenfalls als Außenseiter im Dorf gilt. Lolas Mutter scheint derweil in dem Tierarzt Kurt einen neuen Lebenspartner zu finden – und obwohl Lola ihn eigentlich ganz nett findet, lässt sie nichts unversucht, um ihn zu vergraulen.
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Nur gut, dass Polizeiobermeister Strube ein Auge auf Lolas Mutter geworfen hat, sich scheinbar berechtigte Hoffnungen macht und daher alle Anwürfe und Anzeigen Barkelts ignoriert. Über eines freilich kommt das Mädchen nicht hinweg: ihr Vater ist vor zwei Jahren abgehauen. Seitdem wäscht sie die Stelle an ihrem Hals nicht mehr, wo er ihr den letzten Kuss aufgedrückt hat und trägt immer noch die inzwischen viel zu kleinen Turnschuhe. Was ihr Hohn und Spott einbringt unter ihren Mitschülern. Die sich freilich sogleich auf einen anderen Außenseiter stürzen, als mit Rebin (nicht minder beeindruckender Debütant: Arturo Perea Bigwood) ein neuer Schüler in die Klasse kommt und auf den freien Platz an Lolas Seite gesetzt wird.
Denn Rebin ist kurdischer Herkunft und hat keine Zeit, sich mit seinen Altersgenossen abzugeben. Er muss vor der Schule Zeitungen austragen und nach der Schule seinem Vater helfen, der in der „Hafenbar“ Barkelts schuftet und schon seit Wochen auf seinen Lohn wartet. Weshalb der Junge die Angel auswirft, um das Abendbrot daheim um etwas Frisches anzureichern. Und das ohne Angelschein, wie ihm eine plötzlich zickige Lola vorwirft. Die offenbar eifersüchtig auf die zwar hart arbeitende und arme, aber doch intakte kurdische Familie ist. An Lolas Nachttisch steht ein Bild aus glücklicheren Tagen, das ihren Papa zeigt – und sogleich imaginiert sie sich in die Zeit zurück, wo er ihr abends immer ein Schlaflied gesungen hat.
„Auf jeden trüben Tag folgt ein heller Tag“ lautete sein Lebensmotto. Und das hat sich ausgerechnet ihre Mutter Loretta zu eigen gemacht, die sich den toughen Tierarzt Kurt geangelt hat. Der freakige Cowboy-Typ denkt gar nicht daran, die Stiefvater-Nummer abzuziehen, sondern lässt Lola alle Freiheiten, so zickig und abweisend zu sein, wie immer es ihr möglich ist, um den Neuen an Mamas Seite zu vergraulen. Das Ende vom Lied: Lola findet Kurt ganz ok, wenn auch natürlich nicht so toll wie ihren Papa. Was tun? Trost suchen beim alten Kapitän Solmsen. Der hat mit ihrem Vater häufig gemeinsam musiziert und fungiert jetzt als eine Art Opa, als absolute Vertrauensperson eben.
Als Rebin ihr bei den verzwickten Matheaufgaben hilft, ist das Eis gebrochen – und das Bild ihres Vaters entfernt sich immer mehr aus ihren Träumen. Kurt riskiert alles, um die vermeintlich ertrinkende Lola aus dem Fluss zu retten – und zieht neben einem Kleidungsstück auch den Schultornister Rebins aus dem Wasser, den die Bande ausgerechnet um den Polizisten-Sohn Thorsten und den Barkelt-Sprössling Kevin hineinbefördert hatte. Da Rebins Familie illegal in Deutschland lebt, kann sie auf keine Unterstützung offizieller Stellen hoffen – auch nicht, als Rebins Mutter ernsthaft erkrankt. Lola zögert keinen Augenblick und holt Kurt zu Hilfe.
Lola lernt bei Rebins Familie, die aus Furcht, entdeckt zu werden, jeden weiteren Kontakt mit ihr untersagt, den Ernst des (Erwachsenen-) Lebens kennen. Und ist reif genug für die Wahrheit: ihr Vater hat längst eine neue, eigene Familie gegründet. Die Zeiten ändern sich, Loretta wäscht sich wieder den Hals und zieht endlich neue, passende Schuhe an. Doch nun will Barkelt Nägel mit Köpfen machen – und sein Sohn gleich mit. Lolas Geburtstagsfeier scheint im wahren Wortsinn ins Wasser zu fallen – wenn da nicht Kapitän Solmsen samt seinem Schiff „Hans Albers“ wäre, das freilich schon seit Jahren nur noch vor Anker liegt. Und die resolute Dorfschullehrerin Kuhbart, die den bösen Jungs ebenso die Ohren langzieht wie ihren Vätern, deren Schwächen sie aus eigener Anschauung kennt – die saßen alle 'mal als Pennäler bei ihr auf den harten Klassenbänken...
Thomas Heinemann ist mit der am 16. Oktober 2015 im Kinderkanal erstausgestrahlten Romanadaption ein am Schluss zwar arg klattriges, aber gleichzeitig sehr authentisches und spannendes Multikulti-Märchen vor realistischem Hintergrund gelungen. Das die Geschichte zweier Familien in den Mittelpunkt stellt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier das typische deutsche Patchwork-Rudiment, dort eine kurdische Großfamilie, die ohne Aufenthaltsgenehmigung zurecht kommen muss und dringend der Hilfe bedarf. Von zupackend-handfesten Menschen wie Kurt oder der Lehrerin Kuhbart, die sich den einstigen Sponti-Spruch zu eigen gemacht hat: Kein Mensch ist illegal. Und es ist natürlich auch die Geschichte der Freundschaft zwischen einem leicht verwilderten, aber vergleichsweise verwöhnten deutschen Einzelkind mit einem ebenfalls in Deutschland geborenen Jungen, der aufgrund der Herkunft seiner Eltern niemals sicher vor Ausweisung in ein Land sein kann, das er nur vom Hörensagen her kennt.
Thomas Heinemann hat schon als Zwölfjähriger Stücke für das Basler Kindertheater geschrieben und gründete 1985 mit dem Theater am Neunerplatz in Würzburg Deutschlands erste Bühne, in der Kinder für Kinder spielen. Die vom Kabarettisten Frank-Markus Barwasser verkörperte Figur „Erwin Pelzig“ ist hier in Mainfranken geboren worden. Heinemann, der als Filmemacher 2007 mit „Vorne ist verdammt weit weg“ den Durchbruch schaffte, will Mut machen, sich Problemen entgegen zu stellen, sich an der Titelfigur ein Beispiel zu nehmen, die für Menschen, die ihr wichtig sind, einsteht.
Pitt Herrmann