Inhalt
Um auch nach seiner Scheidung eine enge Beziehung zu seinem Sohn Kurt pflegen zu können, zieht Kurt mit seiner Freundin Lena in ein altes Haus in Oranienburg – in die Nähe seiner Exfrau Jana. Es scheint die perfekte Lösung, bis der kleine Kurt bei einem Autounfall ums Leben kommt. Von diesem tragischen Ereignis werden Jana, Lena und besonders Kurt in eine tiefe Trauer gestürzt, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Der Film folgt den Protagonist*innen bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Tod Kurts und zeigt dabei ihre Erinnerungen an die schönen Momente, welche sie mit ihm geteilt haben.
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Doch dann fällt der kleine Kurt in der großen Pause vom Klettergerüst des Schulhofes – Genickbruch. Und nichts ist so wie zuvor. Zuerst hilft noch die Routine, etwa bei der Entscheidung für eine der vom Bestatter Mahlow präsentierten Kinderurnen für die Beisetzung in einem Friedwald. Doch der lähmende Schmerz über den Verlust kehrt in der Stille beider Häuser rasch zurück, der Alkohol ist ebenso wenig ein Seelentröster wie Peter, der Neue an Janas Seite, oder gar Lena, die nicht minder um Kurti trauert als dessen leibliche Eltern. Ihre aus Berlin angereiste ältere Schwester Laura versucht vergeblich, Lena zu einem Tapetenwechsel zu animieren.
„Überleben ist was Egoistisches, immer.“ Und: „Es wird nie ganz vorbei sein“: Die Familientherapeutin Dr. Wagner und Kurts Vater Wolfgang geben ihr Bestes, um Lena und Kurt eine Perspektive zu geben. Aber als Letzterer stark alkoholisiert eine wichtige Präsentation versaut, bleibt seinem Vorgesetzten Frank nichts anderes übrig, als ihn freizustellen. Lena kommt einfach nicht an Kurt heran, der sich nächtelang in Kneipen und Bars besäuft, wenn er nicht bei Jana in alten Erinnerungen schwelgt.
Eine Luftveränderung täte beiden gut und so geht es im Campingbus des verwitweten Nachbarn Hannes Gauger an die Ostsee. Seit einem halben Jahr will Lena der äußeren und inneren Einsamkeit entfliehen. Erst als ihre Schwester Laura neureiche Interessenten für das inzwischen komplett renovierte Haus durchs Gebäude und den blühenden Garten führt, kommt Kurt zur Besinnung: an einen Verkauf ist nun nicht mehr zu denken…
Mit „Kurt“ hat die TV-Moderatorin und „Nerdnacht“-Produzentin Sarah Kuttner 2019 bei S. Fischer einen unter die Haut gehenden Roman herausgebracht, in dem sie auf 230 Seiten über nicht enden wollende Trauer schreibt, aber auch über die Kraft, die Menschen nach einer Katastrophe wie dem Verlust ihres Kindes entwickeln können. Und darüber, dass es auf manche Fragen einfach keine Antworten gibt. Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Form aus der Perspektive Lena Horstmanns.
Zusammen mit Vanessa Walder hat Til Schweiger diesen Roman für die große Leinwand adaptiert. Die Tragikomödie, am 7. September 2022 im Berliner Zoo-Palast uraufgeführt, setzt genrebedingt andere Schwerpunkte als der Roman. Die Film-Dialoge sind oberflächlicher, die (Kneipen-) Szenen des völligen Kontrollverlustes spektakulärer. Verändert wurden auch die Biographien der Protagonisten: So hat Kurt im Roman die Werbeagentur Janas bereits nach der Trennung verlassen. Laura ist die jüngere Schwester Lenas, welche an der Rummelsburger Bucht mit einer Frau zusammenlebt, wohin sich Lena zeitweise flüchtet: Sie denkt gar nicht daran, das in der Vorlage explizit für Kurti gekaufte Haus an die steirischen Neu-Berliner Josef und Gloria zu verkaufen. Schließlich ist Nachbar Hannes weder Witwer noch Besitzer eines Campingbusses.
Fällt aber alles nicht ins Gewicht: Der Film punktet mit den technischen Möglichkeiten der Rückblende. Immer wieder rufen sich Kurt, Lena und Jana wunderbare Erlebnisse mit Kurti in Erinnerung. Und der Abspann wartet in Entsprechung des dritten Romanteils, der einzigen unmittelbaren Erinnerung Lenas an glückliche Stiefmutter-Zeiten am Grabowsee, mit einer Rückblende auf, einem heiter-versöhnlichen Bonbon für den Nachhauseweg nach dem für Til Schweigers Verhältnisse schon emotional fordernden Zweistünder: Pleiten, Pech und Pannen beim Kennenlernen von Kurt und Lena auf dem Hamburger Jungfernstieg.
Pitt Herrmann