Inhalt
Spielfilm mit dokumentarischen Anteilen, der sich – vor allem auf psychologischer Ebene - dem mutmaßlichen Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" Beate Zschäpe annähert: Um ihre schwer kranke Großmutter zu sehen, erhielt die inhaftierte Zschäpe im Sommer 2012 die Erlaubnis für einen Besuch in Begleitung von zwei BKA-Beamten. Das Gesprächsprotokoll, das während der Reise von den Beamten Dietrich und Troller erstellt wurde, dient als Basis für die Handlung des Films. Die nachgestellten Gespräche während der Fahrt werden ergänzt durch nachinszenierte Szenen aus dem Gerichtsaal, Archivaufnahmen und Interviews mit Angehörigen der Opfer.
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Nach der Fahrt von der JVA Köln nach Gera und retour haben die Beamten ein Protokoll verfasst, das den Autoren Raymond und Hannah Ley als Grundlage für das Drehbuch zum Dokudrama „Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“ diente. In diesem nachhaltig beeindruckenden Kammerspiel kontrastiert Raymond Ley, „Grimme“-Preisträger 2014 für das Kundus-Dokudrama „Eine mörderische Entscheidung“, Etappen der Autobahnfahrt mit künstlich „gestörten“ Dokumentaraufnahmen des NSU-Trios und nachgestellten Momenten aus dem späteren Prozess vor dem Landgericht München mit einem unfassbar arroganten Richter Götzl, der auch nicht den Hauch von Empathie gegenüber den Angehörigen der Opfer erkennen lässt. „Nie den Humor verlieren“: Troller sitzt in einem von drei aus Sicherheitsgründen völlig gleich aussehenden Transportern Beate Zschäpe gegenüber. Lisa Wagner verkörpert sie als junge, attraktive und Komplimenten durchaus zugängliche Frau, die sich selbst bis hin zu feinsten Nuancen ihrer Gesichtszüge im Griff hat. Mit einer Ausnahme: Als sie erfährt, dass auch ihre Mutter beim Treffen in Gera dabei ist. Da zieht sie beinahe unmerklich eine Schnute. Richtig allergisch reagiert sie nur auf Vorhaltungen der Medien – und auf ihre Großmutter, als diese am Ende einer trotz der trennenden Panzerglasscheibe sehr emotionalen Begegnung es wagt, ihr die alles entscheidende Frage zu stellen, auf deren Beantwortung Polizei und Justiz bis heute warten: War Beate Zschäpe aktiv an der Mordserie quer durch die Republik mit insgesamt zehn Toten beteiligt? Auch das von Troller angebotene Vier-Augen-Gespräch in einem Biergarten bei der Rückankunft in Köln lehnt sie ab: „Das könnte euch so passen...“
„Ist Beate Zschäpe die biedere, wenn auch promiskuitiv lebende Kleinbürgerin, die ausländerfeindliche Nachbarin? Ist diese selbstbewusst auftretende Frau der Prototyp des antisemitischen Deutschen, der hinter den Gardinen der Vorstädte seinen Hass auf alles 'Fremde' pflegt und schließlich morden lässt? Für ein juden- und ausländerfreies Deutschland? Doch was war tatsächlich ihr Tatbeitrag?“ Diese Fragen waren für Raymond Ley, der 1958 in Kassel geborene Filmemacher zählt zu den renommiertesten im Lande („Aus Liebe zu Deutschland“, „Die Nacht der großen Flut“, „Meine Tochter Anne Frank“), der Ausgangspunkt seines Dokudramas, das zumindest den Versuch unternimmt, hinter die narzisstische Fassade der Beate Zschäpe zu schauen. Inzwischen, und dieser für alle überraschenden Wende konnte der Film nur noch mit einer ironischen Bemerkung Trollers Rechnung tragen, hat Beate Zschäpe im Münchner Gericht eine über 50 Seiten umfassende Erklärung zu den NSU-Morden und ihrer Beteiligung daran verlesen lassen. „Diese Erklärung“, so Raymond Ley im Presseheft, „bestätigt in ihren Aussagen die Sicht unseres Filmes und die Art, wie Frau Zschäpe ausweicht und sich und die Taten des NSU in keinerlei Verbindung bringen möchte. Auf eine erschreckende und fast 'unheimliche' Art und Weise korrespondieren unser Film und Zschäpes Erklärung miteinander. In ihrer 'Aussage' versucht sich Frau Zschäpe reinzuwaschen – in unserem Dokudrama ergibt sich aus der Montage der Zschäpe-Szenen aus dem Bus, dem Gericht und den Fragmenten rund um das Zusammenleben mit den beiden Uwes aber ein anderes Bild – das Bild einer meinungsstarken rassistischen Nationalistin, die wusste, was sie tat, was sie 'erduldete' und was sie damit mindestens beförderte: Den Mord an unschuldigen Menschen.“
Pitt Herrmann