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Die in einem Vorort von Barcelona geborene Antoñita Singla ertaubte kurz nach ihrer Geburt und lernte das Tanzen nach Vibrationen und Rhythmus, ohne jemals Musik gehört zu haben. In den 1960er Jahren revolutionierte die gerade mal 17-jährige Roma die Welt des Flamenco und machte sich international einen Namen. Sie wurde von Salvador Dalí gemalt und war im Oscar-nominierten Film "Los Tarantos" von Francisco Rovira-Beleta zu sehen. Kurz vor ihrem 30. Geburtstag verschwand sie plötzlich. Fasziniert von alten Aufnahmen, auf die sie zufällig gestoßen ist, versucht eine junge Tänzerin fünfzig Jahre später, das Geheimnis um La Singlas Verschwinden zu lüften und den vergessenen Star der Tanzszene aufzuspüren.
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Trotz dieses Handicaps lernte sie sehr früh, Flamenco zu tanzen, ohne die Musik zu hören: Anhand der Gitarrenschläge und den Vibrationen im Boden konnte sie sich orientieren und als 17-Jährige gemeinsam mit dem legendären Sänger Diego Vergas auftreten („Siguiriyas“). Bereits zwei Jahre zuvor sorgte ihr furioses Spiel im Oscar-nominierten Film „Los Tarantos“, einer Romeo-und-Julia-Geschichte im Zigeunermilieu, für Aufsehen über Spanien hinaus.
Sie trat bald in den großen Clubs von Madrid, Barcelona und Sevilla auf, ließ sich von Miro und Dali porträtieren, zählte Marcel Duchamp, Yul Brynner und Gilbert Becaud zu ihren Verehrern. Ein begeisterter deutscher Galerist und Jazzfan lotste Albert Mangelsdorff und Horst Lippmann nach Barcelona, Letzterer nahm die längst „La Singla“ genannte Antoñita für seine Frankfurter Agentur Lippmann + Rau unter Vertrag. Mehr als zehn Jahre tourte die junge Frau auf Flamenco-Festivals durch Europa. Doch als Ende der 1960er Jahre US-Veranstalter bei ihrem Manager-Vater vorstellig wurden, verschwand der gefeierte Star plötzlich von der Bildfläche.
50 Jahre später stößt die in Paloma Zapatas Hommage „La Singla“, einem Hybrid aus Dokumentar- und Spielfilm, Elena genannte Journalistin (die Schauspielerin Helena Kaittani) auf den Flamenco-Blog „Los Califas“ des spanischen Journalisten, Schauspielers und Regisseurs Francisco Javier Banegas. Und ist fasziniert von den Archivbildern einer ihr bis dahin völlig unbekannten Flamenco-Tänzerin.
In der fiktiven Film-Rahmenhandlung gehört Helena zum Wachpersonal eines Theaters in der Trabantenstadt Polygon Süd in Sevilla. Sie schleicht sich heimlich ins Parkett, um die Proben zu verfolgen. Nimmt selbst Flamenco-Unterricht, lässt sich von Banegas mit reichlich Material versorgen und trifft sich in Barcelona mit der berühmten Fotografin Colita, die eigentlich Isabel Steva Hernández heißt und „La Singla“ am Set von „Los Tarantos“ kennenlernte. Auch sie kennt den weiteren Werdegang der „Mädchen der Stille“ genannten Antoñita nicht.
Helena erfährt in Sevilla von einem in Deutschland aufgewachsenen Flamenco-Tänzer, dass „La Singla“ häufig in Hessen aufgetreten ist. „Die Zigeunerin aus den Slums von Barcelona“: TV-Material von Festivals in Marburg/Lahn, in der Stadthalle Offenbach und in der Frankfurter Jahrhunderthalle, hier ergänzt um ein Interview mit Horst Lippmann, sind jedoch letzte Zeugnisse der 1970 plötzlich Verschollenen.
Ein alter Herr am inzwischen mondänen Strand El Somorrostro gibt Helena den entscheidenden Hinweis: Vor dem Abriss der der illegalen Hüttenstadt sind viele Bewohner in den Stadtteil Badalona zwangsumgesiedelt worden. Dort befindet sich das Autohaus Singlauto, geführt von einem Bruder Antoñitas. „La Singla“, nach wie vor traumatisiert durch die Einsamkeit in ihrer Kindheit und den sie stets nur ausbeutenden Vater, konnte sich vollkommen lösen von ihrer Vergangenheit, heiratete im Alter von 28 Jahren einen Freund dieses Bruders. Die gehörlose Frau, von der Jean Cocteau einst sagte, sie „spuckte Feuer aus ihrem Mund und löschte es mit ihren Füßen“, lebt nun, ohne ein dokumentarisches Zeugnis einstiger Popularität, sehr zurückgezogen und offenbar glücklich als zweifache Mutter und zweifache Großmutter zusammen mit der Großfamilie in Badalona.
Pitt Herrmann