Inhalt
Maja Wegner ist Ende dreißig und allein erziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter. Um ihrem eingefahrenen Leben eine neue Richtung zu geben beschließt sie, in der Großstadt noch einmal ganz von vorne anzufangen. Sie verkauft ihr Haus auf dem Land, kündigt ihren Job beim Kraftverkehr und zieht mit ihrer Tochter nach Berlin. Hier findet sie eine Stelle als Schaffnerin bei der Bahn. Während Maja in ihrem Mietshaus schnell Kontakt und neue Freunde findet, will es mit der Suche nach einem neuen Lebenspartner nicht recht klappen. Über eine Kontaktanzeige versucht sie schließlich einen Mann zu finden – ohne Erfolg. Sie lässt sich auf eine Beziehung mit einem Schlagerkomponisten aus ihrem Mietshaus ein, wird aber schon bald von ihm enttäuscht. In ihrem sympathischen Arbeitskollegen Gerd findet Maja schließlich einen Mann, mit dem sie sich ernsthaft eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann.
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Mine übt im Reitunterricht die „Kaskade rückwärts“ aus dem Sattel: „Die Schwierigkeit liegt beim Mut zur Überwindung, klar?“ schärft ihr der Trainer ein. Diesen Mut beweist ihre Mutter, als sie sich entschließt, nach Berlin zu ziehen und einen schlechter bezahlten Job als Schaffnerin bei der Reichsbahn anzunehmen. Statt in den eigenen vier Wänden, leben sie fortan in einem Mietshaus. Doch Mine gefällts, weil hier im bröckelnden Altbau das Leben spielt.
Die Hausgemeinschaft, allen voran Margot Eberle, hilft beim Einzug. Und Nachbar Ali kümmert sich rührend um die Alleinerziehende – und das nicht nur mit Kaffeekochen. Maja beschließt, eine Heiratsanzeige aufzugeben – und trifft in der Annahmestelle auf die Nachbarin Carola, Gattin des Professors Brehme. „Wir machen das anders“ beschließt „Frau Professor“, brezelt Maja ordentlich auf und zieht mit ihr abends durch die Cafés, Bars und Theater der Hauptstadt.
„Das ist kein Beruf für Familienleben“: Majas Kollege, der Zugführer Gerd, mit dem sie zwischen Berlin und Thüringen in langen Schichten pendelt, ist geschieden und versteht die hohe Fluktuationsrate bei jungen Kollegen. Er will sich nicht neu binden und sehnt sich nach der Pensionierung nach einem Leben auf dem Lande. Mine genießt das vergleichsweise aufregende Teenager-Leben in der Metropole, probiert mit Freundinnen Lippenstifte und Nagellack-Sorten aus und ist häufig mit dem gleichaltrigen Schlosser Wilfried zusammen.
„Das Schlimmste für eine Frau ist, sich selbst aufzugeben“ weiß Carola, die Maja in Tanzbars begleitet. An Männern herrscht hier kein Mangel, aber entweder sind sie verheiratet und nur auf ein Abenteuer aus, oder nicht wirklich ‘was fürs Herz. Da gefällt ihr der Musiker und Schlagerkomponist Toni aus der Dachwohnung schon besser: „Der Reiter, um nicht umzukommen, kaskadiert nach hinten/Nur so kann er sich freibekommen und sich wiederfinden.“
Der ist freilich nur an ihr als potentieller Sängerin interessiert, sieht sich weder als treusorgender Gatte noch gar als Kindsvater. Nachdem sie ihn mit der Sängerin Erika erwischt hat, gibt Maja tatsächlich eine Zeitungsannounce auf. Zusammen mit Carola werden die Kandidaten im Café gemustert: Nachdem die Herren Brettschneider, der Apotheker ist von seiner Mutter geschickt worden, und Krex mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind, springt Carola beim dritten Date als Stellvertreterin ein – und trifft mit Dr. Mann nicht nur ebenfalls auf einen Stellvertreter, sondern endlich auf einen Mann auf Augenhöhe.
Privat läufts also nicht bei Maja, dafür aber beruflich, sogar in der Bändigung randalierender Fußballfans. Was ihr mehr als nur den Respekt Gerds einbringt. Als der Zug im Thüringischen auf offener Strecke halten muss und junge Leute ausschwärmen, um auf der Wiese am Bahndamm Blumen zu pflücken, erscheint Gerd, zuvor von ihr zu seinem Geburtstag mit einer Palme beschenkt, mit einem Blumenkränzchen und setzt es ihr anstatt der Reichsbahn-Kappe auf. Nach dem ersten innigen Kuss unter dem Beifall der jungen Leute fährt der Zug ohne die beiden weiter…
Die DDR-Filmkritik störte sich am „Genre-Mix“. So schrieb Margit Voss unter der Überschrift „Bißchen was riskieren“ („Film und Fernsehen“ Nr. 3/1984), Iris Gusner „erschrak offenbar auf halbem Wege und legte den Rest vergleichsweise verzagt zurück.“ Andere Kritiker stießen sich an „unanständigen“ Chanson-Texten und behaupteten: „So sind unsere Frauen nicht“. Wie Iris Gusner in ihrem Buch „Start in Moskau“ (Defa-Stiftung 2018) beschreibt, hat es in der DDR eine Direktive gegeben, über „Kaskade rückwärts“ nicht positiv zu schreiben.
Die herzerfrischende Komödie lief nach der Uraufführung allein drei Wochen im „International“ in Ost-Berlin – und vier Wochen allabendlich im ausverkauften „Klick“ am Stuttgarter Platz in West-Berlin. Beim 3. Nationalen Spielfilmfestival der DDR Mitte Mai 1984 in Karl-Marx-Stadt gabs dennoch Preise für Marion Wiegmann und Elke Hersmann.
Die Regisseurin ist mehrfach in die Bundesrepublik geschickt worden zu Vorführungen ihres Films, der laut Iris Gusner auch vorab zur Eröffnung des DDR-Kulturzentrums in Paris im Dezember 1983 gezeigt wurde. Nach der TV-Erstausstrahlung am 2. August 1986 im Fernsehen der DDR startete „Kaskade rückwärts“ am 21. Januar 1988 in westdeutschen Kinos. Warum die Defa-Stiftung Maja Wegners Tochter Mine den Namen Zoppi gibt, der sich dann bis auf das US-Portal imdb durch alle einschlägigen Datenbanken zieht, bleibt mir ein Rätsel.
Pitt Herrmann