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Vor sechs Jahren ist die Chilenin Rosita Perez mit ihrer Tochter Isabel aus ihrem Heimatland in die DDR übergesiedelt. Ihre Nachbarn Margot und Dieter hatten damals eine Patenschaft für das Mädchen übernommen – aber zwischen Berufsalltag und Lebensroutine ist diese Verbindung allmählich eingeschlafen. Obwohl Rosita eine Stellung hat und Kontakt zu anderen Emigranten aus Chile pflegt, fühlt sie sich nicht recht wohl in der neuen Heimat – sie ist bedrückt, weil ihr Mann in Chile zurückbleiben musste. Jeden Tag rechnet sie mit einer Nachricht von seinem Tod.
Aus diesem Grund fängt Isabel jeden Tag die Post ab: Sie würde der Mutter den Tod des Vaters verheimlichen, aus Angst, diese könnte an der Trauer zerbrechen. Allein Isabels Freund Philipp, der Sohn von Margit und Dieter, erkennt die schwierige Situation, in der sich Rosita und ihre Tochter befinden. Eines Tages trifft dann tatsächlich die Nachricht vom Tod des Vaters ein, woraufhin Rosita einen Zusammenbruch erleidet. Isabel wird bis zu ihrer Genesung von Philipp und seinen Eltern aufgenommen.
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Sechs Jahre später warten Rosita und Isabel immer noch auf ein Lebenszeichen ihres in Chile verhafteten Vaters. Weil sie befürchtet, dass ihre zunehmend labile Mutter eine schlechte Nachricht nicht verkraften kann, wartet die Zwölfjährige stets auf der Treppe des Plattenbau-Hochhauses, um einen entsprechenden Brief abfangen zu können. Wo ihr manchmal Philipp Gesellschaft leistet, was die insbesondere von der Nachbarin Flickenschild genährte Gerüchteküche befeuert. Die „Genossin Pérez“ ist von der stellv. Schulleiterin zu einem Konzert in die Aula eingeladen worden, wo die in ihrer Heimat populäre Sängerin chilenische Lieder zur Gitarre vorträgt. Doch das Publikum, Isabels Mitschüler und deren Eltern, sind nicht wirklich interessiert und höchst unaufmerksam, sodass Rosita das Konzert abrupt abbricht und sich daheim von ihrer Tochter trösten lässt.
„Die haben sich eingelebt, die brauchen uns nicht mehr“ rechtfertigt die offenbar eifersüchtige Margot Kunze das allmähliche Versanden der Patenschaft für Rosita und Isabel Pérez, die auch in der Kaufhalle höchst unsolidarische Erfahrungen („Verstehen Sie kein Deutsch?“) machen. Erst als Opa Kunze zu Besuch kommt und sich sogleich für die exilierten Nachbarn interessiert, sogar an einer chilenischen Fiesta im FDJ-Jugendclub teilnimmt, kommt wieder Bewegung in die Beziehung – auch zwischen Philipp und Isabel. Ausgerechnet als die beiden Jugendlichen eine Bootspartie im grünen Süden der Hauptstadt unternehmen und vor aufkommendem Regen unter eine Brücke flüchten, sodass sie erst spät am Abend nach Hause zurückkehren, ist ein Brief mit der Todesnachricht des Vaters eingetroffen – und Rosita mit der Rettung ins Krankenhaus gefahren worden. Klar, dass sich nun Philipps Eltern um Isabel kümmern…
„Isabel auf der Treppe“, am 4. Oktober 1986 vom Fernsehen der DDR erstausgestrahlt, war für die Regisseurin Hannelore Unterberg eine schwere Geburt, wie sie anlässlich einer Wiederaufführung am 7. November 2021 im Berliner Arsenal bekundete. Diese reichte vom ersten Szenarium 1981 bis zum Drehbeginn im Sommer 1983: „So sind unsere Leute nicht“ soll Hans Dieter Mäde, Generaldirektor des VEB Defa-Studio für Spielfilme von 1976 bis 1989, geäußert und immer wieder neue Drehbuch-Änderungen durchgesetzt haben. Bevor er eine komplette Wende vollzog, als der siebzigminütige „Kinderfilm“ beim 4. Nationalen Festival „Goldener Spatz“ für Kinderfilme der DDR in Gera 1985 mit dem Preis der Jury des Jungen Publikums in der Kategorie Spielfilm ausgezeichnet wurde.
Aber auch personelle Probleme mussten überwunden werden. Nach dem Casting der Gruppe junger Exil-Chilenen in der ganzen DDR sprang die ursprünglich vorgesehene Hauptdarstellerin nach für sie zu stressigen Drehtagen ab: vier Wochen Arbeit für die Tonne. Irina Gallardo, die als Neunjährige Schlimmes erlebt hatte beim blutigen Militärputsch, wollte zunächst aus Solidarität mit ihr nicht einspringen, konnte dann aber doch überzeugt werden. „Isabel auf der Treppe“ ist nicht nur ein einfühlsamer Blick auf die Probleme südamerikanischer Genossen im deutschen Arbeiter- und Bauernstaat aus der Sicht Heranwachsender, sondern ein eindringlicher Appell an die Erwachsenen, es nicht beim üblichen, monatlich automatisch vom Gehalt abgezogenen Solibeitrag zu belassen, sondern sich persönlich zu engagieren.
Pitt Herrmann