Im Tal

Rauschender Wildbach, Schnee und Eis: Im Harz ist der Winter eingezogen. Im Schaufenster eines Uhren- und Schmuckgeschäftes gehen die Lichter aus. Jutta Wendler hat zuvor die wertvollsten Stücke aus der Auslage genommen und verstaut sie zusammen mit der Tageskasse in einem transportablen Tresorbehälter im Büro. Wenig später fährt ein Auto über die schneebedeckte Straße einer Allee.

Und ein anderes Fahrzeug erscheint auf der Bildfläche. „Ist sie wirklich weg?“ fragt der eine Mann den anderen, bevor sie über den Hintereingang mit einem Schlüssel das Büro betreten, jede Menge wertvoller Uhren und Schmuck einpacken. Dann gehen Günther „Bummi“ Baum und Siegfried „Siggi“ Kugler hinauf in die Wohnung im Bewusstsein, dass das Inhaber-Ehepaar Wendler wie stets um diese Zeit beim Kegeln ist. Doch an diesem Abend ist der Goldschmied Klaus Wendler allein gefahren.

So kommt es im Schlafzimmer zu einer allseits überraschenden Begegnung: Jutta Wendler, die einstige Verlobte Siggis, die sich während seiner Armeezeit von ihm getrennt hat, wird von diesem aus Rache an ihrem „Verrat“ brutal zusammengeschlagen. Sie gibt später jedoch an, niemanden erkannt zu haben: Die beiden Täter, deren Beute sich auf 100.000 Mark summiert, seien maskiert gewesen. Was Oberleutnant Jürgen Hübner misstrauisch macht: Jutta Wendler, die nicht gefesselt worden ist, hat weder um Hilfe gerufen noch wie sonst die Tageseinnahmen im Nachttresor der Bank deponiert.

Die erfolgreichen Einbrecher hatten zuvor Paul (Wolfram Sense), den Hausmeister eines leerstehenden, da zu renovierenden Ferienheims in Thale, überreden können, sie für eine Nacht in einem ungeheizten Raum zu beherbergen mangels Alternative. Als der Nachbar Manfred Greese (Peter Panhans) in der Nacht nicht nur einen kurzgeschlossenen Firmenwagen entdeckt, sondern auch noch einen Ring findet, alarmiert seine Gattin (Barbara von Steuben) die Polizei. Als diese unter der Leitung von Leutnant Laufer anrückt, können Siggi und Bummi im letzten Moment entkommen.

Und landen an einem abgelegenen Ort in einem wildromantischen Tal, der schon bessere Zeiten gesehen hat: Die Gaststätte „Zum Hirschgrund“ war offenbar längere Zeit verwaist, nun haben sich mit Erika Wesemann und Werner Ludwig zwei junge Leute die Renovierung vorgenommen, deren Kosten allerdings die eigenen Baukredit-Möglichkeiten übersteigt. Da trifft es sich, dass Werners „bei der Fahne bester Freund“ Siggi einen Unterschlupf für sich und den zunehmend nervösen, aussteigewilligen Bummi sucht und dafür 10.000 Mark offeriert – als erste Rate. Wovon Erika allerdings nichts wissen darf.

Die beiden „Gäste“ können sich aber auch sonst nützlich machen, gehörten sie doch bisher einer Elektriker-Brigade an. Zumal Werner, Bauleiter in einem Neubau-Komplex in Berlin-Marzahn, nur an wenigen langen Wochenenden selbst Hand anlegen kann. Was sie nicht ahnen: Jutta Wendler hat ihr Schweigen gebrochen, nachdem Hübner sie bis vor die Wohnungstür Kuglers verfolgt hat. Nachdem der Juwelier den Ring aus Thale als gestohlen identifiziert hat, kann Hübner die Ermittlungen eingrenzen.

Und trifft so auf einen guten Bekannten aus der Polizeiakademie, Oberleutnant Karl-Heinz Schlenker, der als Abschnitts-Bevollmächtigter regelmäßig auch im Hirschgrund nach dem Rechten schaut. Siggi, der in Erikas Auto zum Einkaufen geschickt wird, macht zwei entscheidende Fehler: Zum einen gibt er der Kassiererin (Birgit Linke) im Konsum-Laden ein horrendes Trinkgeld, zum anderen hätte er beinahe den Postboten auf seinem Fahrrad in den Graben des engen Tals gedrängt. Die Schlinge zieht sich zu…

Die „Polizeiruf 110“-Folge „Im Tal“ ist vom 15. Dezember 1981 bis 11. Februar 1982 in Berlin-Köpenick, Thale/Harz, Blankenburg/Harz und Waßmannsdorf/Brandenburg gedreht worden. Beim Gasthaus „Zum Hirschgrund“ handelt es sich um das Gasthaus mit Pension „Königsruhe“ und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel im malerischen, schluchtartigen Bodetal zwischen Treseburg und Thale.

Lutz Riemann, hier zu sehen in der Rolle des mit Oberleutnant Hübner seit der gemeinsamen Ausbildung befreundeten ABV Karl-Heinz Schlenker, schlüpfte bereits ein Jahr später in der „Polizeiruf 110“-Folge „Die Spur des 13. Apostels“ in die Rolle des Oberleutnants Lutz Zimmermann, die er bis Januar 1991 insgesamt 25-mal verkörperte. Laut der Rosenholz-Dateien war er seit den 1960er Jahren „Inoffizieller Mitarbeiter“ des Ministeriums für Staatssicherheit und unter dem Decknamen „Richard König“ u.a. auf den SPD-Politiker Peer Steinbrück angesetzt, mit dessen Cousine er verheiratet war. Seine Tochter Petra Riemann hat das dunkle Kapitel ihrer Familiengeschichte in ihrem im April 2019 im Berliner Metropol-Verlag erschienenen Buch „Die Stasi, der König und der Zimmermann. Eine Geschichte von Verrat“ öffentlich gemacht.

Pitt Herrmann