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Nach dem Tod ihres Ehemannes hegt die 70-jährige Russin Blaga vor allem einen Wunsch: Nach ihrem eigenen Tod möchte sie bei ihrem Man beigesetzt werden. Zu diesem Zweck will sie ein schönes Grab kaufen und dessen Pflege sichern. Dann aber wird sie von Telefonbetrügern um ihr gesamtes Erspartes gebracht. Der Traum vom Grab rückt in weite Ferne. Als Blaga klar wird, dass sie das Geld nicht zurückbekommen wird, lässt sie sich auf ein zwielichtiges Jobangebot ein, bei dem sie selbst zur Betrügerin wird.
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Dabei braucht sie dringend Geld, allein 2.000 Lewa für die Anzahlung: Bulgarien ist in der Marktwirtschaft angekommen, da bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Für den vorgesehenen Friedhofsplatz und den Grabstein sind 14.000 Lewa veranschlagt, weshalb sie alle Rücklagen aufgelöst und das Wochenendhaus verkauft hat. Weil der offenbar korrupte Friedhofsbeamte nur Bargeld nimmt, liegt jetzt der Haufen Lewa-Scheine im Wohnzimmerschrank statt auf der Bank.
Am Tag vor der Geldübergabe erhält Blaga einen überraschenden Anruf: Hauptkommissar Kolev von der örtlichen Polizei bittet sie dringend um Hilfe. Sie soll ihre Wertsachen, das Geld vor allem, aber auch ihren silbernen Ehering, in einer Plastiktüte im Gefrierschrank verstauen. Später wird sie vom selben Anrufer dazu aufgefordert, die Tüte vom Balkon auf den Rasen des Wohnblocks werfen, um eine verbrecherische Bande auf frischer Tat überführen zu können.
Überrumpelt und verängstigt kommt Blaga, die es eigentlich besser wissen müsste, der Aufforderung nach. Viel zu spät wird ihr klar, dass sie wie zahllose Menschen ihres Alters Opfer von Betrügern geworden ist. Bei der Polizei erfährt sie von einem Kommissar, dass kein Kollege namens Kolev existiert. Sie ist schockiert und beschämt, zumal ihre Geschichte wenig später sogar in einer Boulevardzeitung steht. Wie soll sie nun bloß das Grab bezahlen? Von ihrem rund um die Uhr in den USA als Trucker schuftenden Sohn Lyudmil ganz abgesehen, mit dem sie via Skype in Verbindung steht: Er hatte sich finanzielle Unterstützung beim Sprung in die Selbständigkeit versprochen.
Verzweifelt versucht Blaga Geld aufzutreiben, aber niemand will eine 70-Jährige anstellen und ihre Bankberaterin (Irini Jambonas) gewährt einer Rentnerin ohne Rücklagen keinen Kredit. Einziger Ausweg sei ein Kredithai, allerdings mit Wucherzinsen. In Mihail Tasen (Stoyan Doychev) findet sie gar einen ehemaligen Schüler. Doch 1.500 Lewa reichen noch nicht einmal für die Anzahlung, da muss sie noch ihr Tafelsilber zum Pfandleiher tragen.
Tanja hilft ihr, eine Anzeige als Kurierfahrerin ins Internet zu stellen, in der sich Blaga als Vierzigjährige ausgibt: Hristos Auto wird aus der Garage geholt und nach anfänglichen Schwierigkeiten nimmt Blaga den gefährlichen, aber auch einträglichen Job als „Maultier“ an – und arbeitet exakt für die Telefon-Verbrecher, die ihr die ganze Malaise erst eingebrockt haben…
„Eine Frage der Würde“ ist ein fesselnder Thriller und zugleich ein aufwühlendes Sozialdrama. Der renommierte bulgarische Regisseur Stephan Komandarev wirft dabei ein Licht auf die desaströse soziale Situation von Senioren in seinem nun zur Europäischen Union gehörenden Land, thematisiert aber auch universelle Fragen um Schuld und Gerechtigkeit.
Eli Skorcheva, am 8. März 1954 in Plovdiv geborene Film- und Theater-Schauspielerin, feiert nach dreißig Jahren als Blaga ihr Leinwand-Comeback und wurde für ihre beinahe stoisch zu nennende Rolleninterpretation in Karlovy Vary als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Im gleichen Monat erhielt der Film beim kroatischen Motovun Film Festival den Fipresci-Preis der Kritiker-Jury. Weitere Preise erfolgten u.a. beim kosovarischen Pristhina Filmfestival und beim Bulgarian Feature Film Festival in Varna. „Blaga’s Lessons“, so der internationale Titel, ist Bulgariens Einreichung für die 96. Academy Awards 2024.
„Eine Frage der Würde“ wurde in der alten ostbulgarischen Festungsstadt Schumen gedreht. Anlässlich des 1300-jährigen Bestehens Bulgariens wurde 1981 hoch über dem Ort ein Denkmal errichtet. Blaga steigt mehrfach die schier unendlichen Treppen hinauf: das im brutalistischen Stil errichtete Beton-Ungetüm dient Regisseur Stephan Komandarev als Metapher für sein Land, in dem Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen.
Pitt Herrmann