Die schwarze Mühle

DDR 1975 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein junger Mann entblättert sich, und das darf wörtlich genommen werden: der Wanderbursch Krabat hat die Nacht unter einem einigermaßen wärmenden Laubdach mitten im Wald verbracht. Ihn hungert und dürstet, aber erst einmal wäscht er sich Gesicht und Hände vor einer kleinen Bauernkate. Die noch jungen Bauersleut Jan und Mirka laden ihn freundlich ein, in ihr bescheidenes Heim zu kommen. Sie leben schon geraume Zeit zusammen, sind aber nicht verheiratet. Denn dazu müsste ihr Grundherr, der Schwarze Müller, erst seine Zustimmung geben, und der hat selbst ein Auge auf die schöne Mirka geworfen.

Krabat ist erstaunt über die ungerechte Feudalordnung hierzulande, die auch durch die Magie aufrechterhalten wird. Soll der Müller doch durch ein „Buch des Wissens“, das er wie einen Schatz hütet, in die Lage versetzt worden sein, alle Rätsel des Lebens zu lösen. Der Wanderbursch zeigt schon Interesse, will aber gleich weiterziehen und schenkt Mirkas Erzählungen nur ein halbes Ohr. Herzlich von den jungen Bauern verabschiedet, durchmisst Krabat einen großen, dunklen Wald. Als er sich einen Hasen fangen will, holt er sich eine rasch enorm anschwellende Beule am Kopf. Plötzlich steht ein merkwürdig düsterer Schrat hinter ihm, in reich besetztem Pelz und hoher schwarzer Fellmütze auf dem Kopf, die ihn noch ehrfurchtgebietender macht.

Durch einen Dreh eines schwarzglänzenden Ringes an seinem Mittelfinger beseitigt er wie durch Zauberkraft Krabats Beule, fängt den Hasen und brät das enthäutete Tier sogleich über offenem Feuer. Dazu fließt aus einem kleinen Baumast plötzlich köstlicher roter Wein. Es ist kein Geringerer als der Schwarzen Müller selbst, der Krabat als Mühlknecht verpflichten will. Seine Worte klingen freundlich, doch seine Augen glimmen tückisch. Krabat spürt die Gefahr, ist aber zu neugierig auf die sagenumwobene Mühle, wo Säcke voller Korn hinein- und pures Gold hinausgetragen werden sollen. Krabat entschließt sich, als Mühlknecht zu arbeiten. Als er mit seinem neuen Herrn dort eintrifft, findet er vor einem gewaltigen Mahlwerk, das an Charles Chaplins „Modern Times“ erinnert, graumäusige, gebückte Gestalten wie aus Fritz Langs expressionistischem Stummfilm „Metropolis“.

Als diese Krabat bemerken, stimmen sie die Formel „Sieben ist die Zahl, acht hat die Wahl“ an, welche sie im Loop gefühlt einige Dutzend mal wiederholen. Der „Neue“ muss einen aus den sieben bestehenden Knechten auswählen, um ihn ersetzen zu können. Das „Opfer“ wird vom Müller sogleich in ein Tier verwandelt, in diesem Fall in ein Wildschwein. Was der entsetzte Krabat natürlich nicht wissen konnte: Er sinnt darauf, den ganzen Stall voll verhexter Mühlknechte zu befreien, das „Buch des Wissens“ soll ihm den Weg weisen.

Doch das wird in der mit sieben Schlössern gesicherten Schatztruhe des Schwarzen Müllers aufbewahrt. Erst als Krabat sich dessen Vertrauen erarbeitet und zusammen mit Markus zu Vorarbeitern aufsteigt, welche mit farbigen Schnüren versehen sich selbst in Tiere verwandeln können, kann der Plan Schritt für Schritt umgesetzt werden. Weil der Müller machtlos ist, wenn eine Mutter ihren Sohn einfordert, gelingt es der mutigen Erzeugerin von Markus, gleich beide Freunde als ihre Kinder auszugeben und aus den Fängen des Bösewichts zu befreien.

Diese nehmen die besagte, magische und mit Edelsteinen besetzte Schwarte an sich und ersinnen einen Plan, um die in ganz unterschiedliche Tierarten verwandelten Gefangenen zu befreien. Dabei spielen Krabat, Markus und dessen Mutter dem Müller in der Guerilla-Technik der Nadelstiche so manchen bösen Streich bis hin zur Umleitung des Baches, dessen Wasser das Mühlrad ans Laufen bringt. Doch noch ist der glutäugige Scharlatan nicht besiegt, der es sich an der opulenten Tafel des Königs und seines Ministers gut gehen lässt.

Am Ende, soviel kann verraten werden, besiegt Krabat den Schwarzen Müller, der sich in einen Wolf verwandelt hat, und befreit alle Gefangenen. Endlich können Jan und Mirka heiraten, doch es reicht nicht ganz zum unbeschwerten Siegesfest: Markus hat durch eine Intrige des Müllers sein Leben verloren...

Die sorbische Sage vom Schwarzen Müller ist viele Jahrhunderte alt. Jurij Brezan hat zunächst 1955 „Mister Krabat“ von Mercin Nowak-Njechoruski ins Deutsche übersetzt, bevor er 1968 die Erzählung „Die schwarze Mühle“ schrieb. Aus dieser antifeudalen Märchenparabel auf das Herrschaftswissen entstanden in den späteren Jahren gleich zwei Romane aus der Feder des erklärten Antifaschisten, SED-Kommunisten und DDR-Schriftstellerverbands-Vizepräsidenten: „Krabat oder Die Verwandlung der Welt“ (1976) sowie „Krabat oder Die Bewahrung der Welt“ (1993). „Heimat ist da, wo Leute wohnen. Vaterland ist da, wo Bürger wohnen“: Brezan, im Westen Deutschlands ein Buch mit sieben Siegeln, gilt als sorbischer Nationaldichter, seine Werke sind in 25 Sprachen übersetzt worden und erreichen, so die autobiographisch grundierte Romantrilogie um Felix Hanusch, Millionenauflagen. Seine Krabat-Version unterscheidet sich grundsätzlich von der Otfried Preußlers, dessen auf die gleiche sorbische Überlieferung fußendes Fantasy-Märchen 1971 zum Jugendbuch-Klassiker avancierte und 2008 von Marco Kreuzpaintner opulent verfilmt wurde.

Die TV-Adaption von Celino Bleiweiß ist aus vielerlei Gründen bemerkenswert. Neben unmittelbaren Bezügen zur Vorkriegs-Tradition des Produktionsstandortes Babelsberg hat der renommierte, vielfach ausgezeichnete Regisseur apokalyptische Werke eines Hieronymus Bosch in seinen scheinbar ganz harmlosen Märchenfilm hineingeschnitten. Surreale Bildwelten flimmern zu Weihnachten über die DDR-Bildschirme, die mit dem staatlich verordneten Sozialistischen Realismus nun wirklich nicht in Einklang zu bringen sind. Von den Bezügen zur biblischen Apokalypse und damit zur Kirche im betont atheistischen Arbeiter- und Bauernstaat ganz zu schweigen.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Kamera-Assistenz

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Spezialeffekte

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2479 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 25.12.1975, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Die schwarze Mühle

Fassungen

Original

Länge:
2479 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 25.12.1975, DDR-TV

Auszeichnungen

Kinderfilmfest Gera 1977
  • Preis des Ministers für Kultur, Bester Spielfilm