Inhalt
Norbert Stenzel, der frisch ernannte Ausbilder der LPG in Pinnow, verfolgt eine moderne, unkonventionelle Art zu unterrichten. Damit sammelt er besonders bei seinen vom anstrengenden Job des Melkers sichtlich erschöpften Auszubildenden Sympathiepunkte. Zudem steigt die Zahl der weiblichen Schülerinnen, seit Norbert Ausbilder ist, stetig an. Daher wird die LPG schon bald "Puppenheim in Pinnow" genannt. Die 16-jährige Steffi, die kurzerhand das Melken als ihren neuen Traumberuf auserkoren hat, hat es Norbert besonders angetan. Doch bei all dem Aufwand für seinen neuen Job findet er leider kaum Zeit für sie.
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Während Steffis Vater, Buttermeister in der Molkerei, und seine Frau für ihre Tochter eine saubere Labortätigkeit in der Stadt mit geregelter Arbeitszeit im Auge haben, möchte sie selbst lieber auf dem Dorf bleiben und einen Beruf mit Tieren ausüben. Das harte Leben ihres Opas, der jeden Tag im Kuhstall schuftet, schreckt Steffi keineswegs. Und dann ist ja noch der neue Ausbildungsleiter, in den sie sogleich verliebt ist. Apropos: die „Erziehung der Liebe zum Beruf“ ist für Norbert Stenzel das Wichtigste seiner neuen Aufgabe. Die Lehrlinge werden nur auf dem Land bleiben, wenn sie sich dort wohlfühlen. Dass das Wohlfühlerlebnis für Steffi, seine demnächst Abhängige, gleich in seinem Bett endet, ist nicht nur für den Lehrer eine heikle Angelegenheit. Eigentlich ein Fall für den Staatsanwalt Bethke, aber der stellt Norbert Stenzel nur seine Tochter Marlies vor: das zarte Wesen hat von den neuen Ausbildungsmethoden gehört und will nun auch nach Pinnow.
Längst ist das Lehrlingswohnheim als libertäres „Puppenheim“ in aller Munde, weil Stenzel seinen Auszubildenden auch das Recht auf persönliches (Liebes-) Glück zugesteht. Wenn nächtliche „Ausreißerinnen“ erwischt werden, darunter später auch Marlies Bethke, drücken die FDJ-Blauhemden auf der anberaumten Versammlung beide Augen zu. Als Simone schwanger wird, sind ihre Eltern, der Vater (Reinhard Michalke) ist Stahlwerker, die Mutter (Rosemarie Bärhold) Verkäuferin, keine Hilfe: Sie plädieren für Abtreibung – und Norbert Stenzel für einen „Schonplatz“ bei der berufspraktischen Ausbildung. Bei Kerzenschein und von Opa Fiedler selbst zubereitetem Glühwein werden selbst intime Themen offen besprochen – eine höchst erfolgreiche vertrauensbildende Maßnahme Norbert Stenzels.
Für Ärger sorgt dagegen sein „alter Freund“ Hans-Peter Grambow (Peter Schramm). Ein alkoholkranker Wendland-Geschädigter, der auf die schiefe Bahn geriet, aus dem Gefängnis aber keineswegs resozialisiert entlassen wurde. Jetzt macht er den jungen Mädchen, allen voran Marion Hacker und Marlies Bethke, schöne Augen. Als sie Marion bei Grambow erwischt, schneidet sich Marlies aus enttäuschter Liebe die Pulsadern auf. Wer jetzt ein rigides Einschreiten der Staatsmacht in Person ihres Vaters erwartet, wird positiv überrascht: Er gibt zu, von dem Verhältnis zu Grambow gewusst und seiner Tochter offenbar zu sehr vertraut zu haben. Dennoch steht die „Pinnower Subkultur“ in der öffentlichen Diskussion – und alle Errungenschaften von der Disco bis zu den Diskussionsforen auf dem Prüfstand. Steffi Fiedler ist nicht bereit, auf Norbert Stenzel bis zum Ende ihrer Ausbildung zu warten und will sich bei Grambow schadlos halten. Marion Hacker und die anderen Mädchen hecken einen Plan aus, das zu verhindern. Der aber voll danebengeht, weshalb der LPG-Vorsitzende Stuck mit Norbert Stenzel kurzen Prozess machen will. Als auch noch Desinfektionsmittel in der Milch gefunden werden, fühlt Paul Wendland wieder Oberwasser – und setzt Steffi kurzerhand als FDJ-Sekretärin ab. Handstreichartig verkündet er den entsetzten Lehrlingen, dass nun wieder sein alter Weg fortgeführt wird. Doch Stuck und Stenzel platzen noch rechtzeitig in die Versammlung: nachdem sich der Rauch verzogen hat, reden der LPG-Vorsitzende und sein unorthodoxer junger Ausbildungsleiter offen miteinander…
Die Verfilmung des erst im gleichen Jahr 1983 im Ost-Berliner Verlag Neues Leben erschienenen Romans „Das Puppenheim in Pinnow“ von Joachim Wohlgemuth (1932 – 1996) spricht grundsätzliche Probleme der Lehrlingsausbildung auf dem Land an. Und das in einer verblüffend herzerfrischenden Offenheit, die umso mehr erstaunt, als Regisseur Christian Steinke, der bereits knapp zehn Jahre zuvor mit „Egon und das alte Weltwunder“ den wohl bekanntesten Jugendroman Wohlgemuths adaptiert hatte, die Rollen der Auszubildenden mit Laiendarstellern aus dem Brandenburgischen besetzt hat, allen voran mit der großartigen Petra Fritzenwanker: sämtlich Lehrlinge der Betriebsberufsschule des Volkseigenen Gutes (VEG) Tierzucht Groß-Kreutz an der Havel.
Pitt Herrmann