Inhalt
Die Enddreißigerin Karoline hat lange Jahre in der elterlichen Gaststätte auf Rügen gearbeitet und einen Sohn großgezogen. Sie entschließt sich, ein neues und eigenständiges Leben zu beginnen. Von ihrem Ersparten kauft sie kurzentschlossen ein Häuschen am Stadtrand von Berlin, das sich als einsturzgefährdete Bruchbude erweist. Zudem hält sich ein illegaler Bewohner darin versteckt. Sie wirft ihn hinaus, doch er hilft ihr bei den ersten Schritten zum Wiederaufbau. Die Renovierungskosten stürzen Karoline fast in den Ruin, sie verkauft ihr Auto und kann das Haus trotz allem nur notdürftig zusammenflicken. Dennoch ist sie am Ende stolz auf ihre Selbstverwirklichung.
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Seid der inzwischen 18-jährige Alexander Gluth, genannt Sascha (Matthias Leupold), aus dem Haus ist und in Weimar Musik studiert, ist seine alleinerziehende Mutter Karoline - zum Vater, einem russischen Soldaten, besteht kein Kontakt - bereit für ein selbstbestimmtes Leben, auch wenn dieses sie zunächst als Arbeiterin in eine betriebliche Großküche führt: „Alles ist leicht, was man rasch macht.“ Aber so leicht nun doch wieder nicht: Mit dem Wartburg Tourist Onkel Friedrichs als Draufgabe zur noch ausstehenden Ablöse gelangt sie zwar problemlos zu ihrer Neuerwerbung. Die aber mit dem gerahmten Foto daheim auf Rügen nichts mehr zu tun hat: in der ländlichen Idylle vor den Toren der Hauptstadt steht eine Bruchbude. In die es nicht nur hineinregnet, sondern die auch noch besetzt ist von einem jungen Mann mit langer Matte und Motorradbraut Brendaly (Claudia Jäger): Christian von der Weide, wie sich später herausstellt auf Bewährung in Freiheit, geht glatt durch als zweiter Edgard Wibeau aus Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“
Da er „vom Bau“ ist und zur Vorzeige-Brigade des vorzugsweise in Berlin tätigen und von allen nur „Boss“ genannten Herbert Kotbuß gehört, gehen die Renovierungsarbeiten gut voran. Und für die schwierigen Aufgaben vom Schornstein über den Ofen und das Bad bis zur Fäkaliengrube, vermittelt Christian Sonderschichten mit seinem Brigadier. Indem er Karoline als Verlobte des Kollegen Manni angibt beim Treffen am Neptun-Brunnen unterm Berliner Fernsehturm. Handwerk hat auch im Sozialismus goldenen Boden: das Geschäftliche wird üblicherweise „fifty-fifty“ abgerechnet, jeweils zur Hälfte in Ost- und West-Mark. Was Karoline zwar viele Nerven, sie denkt sogar an Aufgabe und Rückkehr an die Ostsee, und am Ende gar ihren Wartburg kostet, aber auch viel Anerkennung der Bauleute einbringt. Jochen, Klaus, Wolfgang, Hermann & Co genießen ihre Gulaschsuppe bei den Wochenend-Sonderschichten.
Auch beruflich läuft es nicht schlecht. Eingearbeitet von der Küchenfrau Graf (Gudrun Ritter), die binnen 15-jähriger Tätigkeit schon ihren neunten Chef erlebt hat, weiß Karoline sich im Kollektiv ihrer Kolleginnen ebenso durchzusetzen wie gegenüber ihrem Küchenchef Schmacker. Als der einmal gesundheitsbedingt ausfällt, übernimmt Karoline seinen Job und zaubert einen Eintopf auf die Kantinentische, welcher sogar den überraschend zu Besuch kommenden Minister (Harry Merkel) begeistert und den zuvor eher skeptischen Produktionsdirektor stolz die Brust schwellen lässt. Dennoch wird Karoline für die Budgetüberschreitung von 923,48 Mark von Schmacker zur Rede gestellt, der in Verkennung der wahren Kantinen-Künstlerin nach Berlin ins Ministerium wechseln soll.
Privat kommen sich Karoline und der verwitwete „Boss“, der in der Hauptstadt Platten-Wohnblöcke hochzieht und selbst in einer solchen Neubauwohnung in Mitte mit Blick auf das Rote Rathaus lebt, immer näher. Sie erfüllt seinem Sohn Thomas (Christian Brien) den Wunsch eines Besuchs im Zirkus Aeros, während sein Papa den von jugendlichen Rowdies zerstörten Schornstein in Karolines Haus ein zweites Mal errichtet. Inzwischen auch mit tatkräftiger Baumaterial-Unterstützung ihres von allen nur „der dicke Hanne“ genannten unmittelbaren Nachbarn. Auf Sicht hin, daran lässt der „Boss“ keinen Zweifel, ist ein kompletter Neubau der Hütte fällig. Doch erst einmal begleitet Karoline ihn zum großen Brigadefest in den Palast der Republik – und ist an seiner Seite zu mehr bereit: „Ja, Mann, ich will leben. Ich geh‘ auf die Vierzig zu. Ich will’s endlich erleben – mit Genuss!“
„Dach überm Kopf“, uraufgeführt am 25. September 1980 im Panorama-Palast Gera und am 3. Oktober 1980 republikweit angelaufen, ist der erste Defa-Spielfilm von Ulrich Thein als Regisseur, der sich zuvor als Schauspieler einen Namen gemacht hatte. Ganz locker die alltäglichen (Versorgungs-) Probleme des Landes offenbarend und gespickt mit viel hintergründigem Humor erzählt er die Geschichte einer Frau, die sich bisher „Kriemhildsche Treue“ zu Saschas Vater auferlegte, um ihrem begabten Sohn den Weg für eine Musikerkarriere zu ebnen. Doch nun ist er aus dem Haus und Karoline kann zu einem selbstbestimmten Leben aufbrechen, dass sie freilich bald an die Seite eines lebenserfahrenen Machers führt, der als erfolgreicher Brigadier gewohnt ist, das Sagen zu haben. Aber in einer Traumsequenz am Neptun-Brunnen eine nächtliche Extravorstellung als Clown für seinen kleinen Sohn Thomas gibt. Das Ende nach 109 Minuten im Zirkus Busch-Bauwagen bleibt offen…
Erstausgestrahlt am 3. August 1982 im Fernsehen der DDR und am 9. Juli 1986 im ZDF in einer aus programmtechnischen Gründen gekürzten Fassung gezeigt, überzeugen zwei Theaterschauspieler auf der Leinwand, denen Ulrich Thein ihre Rollen auf den Leib geschneidert hat: seiner Gattin Renate Geißler und dem Protagonisten des Deutschen Theaters (Ost-) Berlin, Dieter Franke, der beim 2. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt 1982 mit dem Publikumspreis „Großer Steiger“ ausgezeichnet wurde „für die gelungenste Darstellung einer sozialistischen Arbeiterpersönlichkeit.“
Pitt Herrmann