Brandstellen

DDR 1977/1978 Spielfilm

Inhalt

Obwohl er früher einer anarchistischen Studentengruppe angehörte, ist Bruno Kappel inzwischen ein angesehener Hamburger Rechtsanwalt. Seine damalige Freundin Karin Kunze hingegen ist weiterhin engagierte Anarchistin. Da Bruno immer noch mit den Linken sympathisiert, vertritt er sie als Rechtsanwalt. Nach einem Schusswechsel mit der Polizei wird Karin gesucht. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass der zuständige Staatsanwalt Baller früher ebenfalls zur Anarchoszene gehörte und um seine Karriere fürchtet, wenn dies bekannt wird. Also wendet er sich an Kappel: Der soll Karin aufspüren und ins Ausland schleusen. Auf seiner Suche nach Karin lernt Kappel die Kommunistin Maria kennen. Als Lehrerin hat sie mit einem Berufsverbotsverfahren zu kämpfen und engagiert sich in einer Bürgerbewegung gegen die Umwandlung eines Naturschutzgebiets in einen Truppenübungsplatz. Kappel verliebt sich in Maria, und ihr Engagement zwingt ihn, seine eigenen politischen Einstellungen zu überprüfen.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
In der Hamburger Anwaltskanzlei von Dr. Bruno Kappel sorgen die Schlagzeilen eines Boulevardblattes, nach denen die Linksextremistin Karin Kunze bei einer Demonstration Schüsse auf einen Polizeibeamten abgegeben hat und danach untergetaucht ist, für keine Überraschung. Ist Bruno doch nicht nur Karins Anwalt, sondern auch ihr „Ex“, der wieder an bessere Zeiten anknüpfen würde, wenn er sie dadurch nur von ihrem terroristischen Umfeld loslösen könnte.

Zunächst aber gilt es, der Verletzten zu helfen und ihr die Flucht ins Ausland zu ermöglichen, falls sie sein Angebot, sich zu stellen und mit ihm in Hamburg neu anzufangen, ablehnt. Zweiter im Bunde ist ein Jurist, der zwar die Seiten nicht gewechselt hat, um den „Marsch durch die Institutionen“ anzutreten im Sinne der alten, im Pariser „Roten Frühling“ anno 1968 gemeinsam beschworenen revolutionären Ziele, der aber nach wie vor zur Sympathisantenszene gerechnet werden kann: Staatsanwalt Martin Baller.

Die Fahrt geht ins Ruhrgebiet zum Arbeitsjubiläum von Brunos Vater. Nicht zufällig wird bei Freunden und Gesinnungsgenossen Station gemacht, dem Arzt Dr. Tom Strathmann und seiner Gattin Doris. Ersterer hat Karin inzwischen behandelt, mit reichlich Bauchschmerzen, auch politischen, weil er das Abdriften der Protestbewegung in die Gewalt als falschen Weg erkannt hat. Letztere plappert Sponti-Sprüche der Marke „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ nach, findet Karins Handeln richtig und bezeichnet ihren Gatten als „Scheiß-Liberalen“.

Bei Cläre und Josef Kappel trifft Bruno auf seinen Vetter Stefan, der soeben zum Kriminalhauptkommissar befördert worden und indirekt auch mit dem Fall Karin Kunze befasst ist. Stefan warnt ihn vor einer ganz faulen Sache: Danach soll die Polizei nach Karin fahnden, aber wenn sie gefunden worden ist, nur observieren, nicht zugreifen. Stefans so attraktive wie frustrierte Gattin Thea, die sich bitter darüber beklagt, sich aufgrund des Gehaltes ihres Mannes nur den „Kaufhof-Geschmack“ leisten zu können, steigt derweil mit Bruno ins Bett. Auch so eine alte Liebe...

Als Karin Kunze, die sich in einer aufgelassenen Fabrikhalle versteckt, ärztliche Hilfe benötigt, fahren Bruno und Dr. Strathmann dorthin. Der Versuch, sie zur Umkehr zu bewegen, scheitert: In den Metropolen des Kapitalismus müsse die Revolution ausgelöst werden, und zwar jetzt, nicht in einer fernen Zukunft. Bruno ist fertig mit Karin und der Welt, setzt sich betrunken ans Steuer – und landet verletzt, aber lebend im Bett der schönen Maria. Die Tochter des Schrotthändlers und Abschleppunternehmers Herbert Ronsdorf ist Lehrerin, steckt aber als DKP-Mitglied mitten in einem Berufsverbotsverfahren. Und engagiert sich wie ihr eher unorthodoxer Vater und der DKP-Parteisekretär Heinz Sporman für „Klein-Schweden“, einen idyllisch an einem See gelegenen Bade- und Campingplatz, der Nato-Truppenübungsplatz werden soll.

Zurück in Hamburg, wird Bruno von seinem Kanzlei-Kompagnon dazu verdonnert, an der Party eines naturgemäß so talentlosen wie erfolgreichen Mainstream-Schriftstellers teilzunehmen, wo sich die ganze dekadente linke Schickeria der Hansestadt ein Stelldichein gibt – und damit die Klientel von Brunos Societät. Wo er auf seinen Freund Baller trifft, der ihm dringend davon abrät, sich weiterhin mit DKP-Leuten zu treffen, wenn er auch künftig den angenehmen Wohlstand des verfallenden Kapitalismus genießen wolle (diese ironische Volte ist wie manches andere den DDR-Zensoren durch die Lappen gegangen). Zudem macht er Bruno darauf aufmerksam, dass sich unter Karins Revolutionären ein Spitzel des Bundesnachrichtendienstes befindet.

Den Namen des „U-Bootes“ der nur „Firma“ genannten Pullacher Behörde, Schiebeck, erfährt Bruno von seinem Vetter Stefan, der ansonsten nichts mehr mit ihm zu tun haben will, nachdem Bruno ihm ein Privatdarlehen offeriert hat unter Bedingungen, die man auch innerhalb der eigenen Familie nur als Bestechung bezeichnen kann. Zurück in den Armen der darob hocherfreuten Maria kann Bruno Schlimmeres verhindern, als er Ronsdorfs Weltkriegs-MP im See versenkt, bevor die Räumkommandos der noch Bundesgrenzschutz genannten Bundespolizei mit dem Zeltdorf der Protestierer in „Klein-Schweden“ kurzen Prozess machen.

Bruno versucht ein letztes Mal, Karin vor dem Spitzel an ihrer Seite zu warnen – vergeblich. Wütend, aber auch entschlossen, kehrt er zu Maria zurück, die seinem Heiratsantrag nur unter einer Bedingung zustimmen will: Er muss akzeptieren, dass ihr die politische Arbeit ebenso viel bedeutet wie das private Glück. Es sieht so aus, als könnte aus dem Frauenheld und Hamburger Schickimicki-Linksanwalt, der sich im flowerpowerbeflockten Käfer-Cabrio der Öko-Kommunistin ausnehmend gut ausnimmt, doch noch etwas rechtes werden...

„Brandstellen“, die Leinwand-Adaption des gleichnamigen Polit-Romans von Franz Josef Degenhardt, ist ein reiner Propagandastreifen. Ende der 1970er Jahre hat selbst in den vom Westfernsehen abgeschnittenen sächsischen „Tälern der Ahnungslosen“ niemand geglaubt, dass die bundesdeutschen SED-Ableger DKP und SEW, die hier so vehement als Alternative zum Terrorismus gepriesen werden, irgendeine relevante politische Bedeutung gehabt haben. Ganz abgesehen von der Ironie der Geschichte, dass es, wie nach der Wende dokumentiert, SED-Funktionäre bis hinauf ins Zentralkomitee waren, die international gesuchte RAF-Terroristen mit neuen Identitäten versehen und in der DDR Zuflucht gewährt haben.

Immerhin muss man dem Szenenbildner Christoph Schneider attestieren, durch höchstmögliche Authentizität der Ausstattung den Eindruck erweckt zu haben, der Film sei tatsächlich in Hamburg und im Ruhrgebiet gedreht worden. In der DDR am 17. März 1978 angelaufen, startete er in den bundesdeutschen Kinos am 20. Oktober 1978. Für die Erstausstrahlung sorgte das Fernsehen der DDR am 10. November 1979.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Bau-Ausführung

Kostüme

Schnitt

Liedtexte

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
2597 m, 95 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 10.03.1978, Leipzig, Leipziger Frühjahrsmesse , Capitol

Titel

  • Originaltitel (DD) Brandstellen

Fassungen

Original

Länge:
2597 m, 95 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 10.03.1978, Leipzig, Leipziger Frühjahrsmesse , Capitol