Am grauen Strand, am grauen Meer

DDR 1979/1980 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die evang. Kirche der kleinen Stadt an der Ostsee ist gut gefüllt, als Pastor Welk (Erich Gerberding) dem 17-jährigen Heinz Kirch, dem Wieb Harmsen den ganzen Gottesdienst über heimlich Blicke zuwirft, von der Kanzel aus eine glückliche Heimkehr wünscht. Was nicht zuletzt daran liegt, dass seine Tochter Hede (Marina Krogull) mit dem Sohn des wohlhabenden Schiffseigners Hans Adam Kirch so gut wie verlobt ist. Eine Muschel solle Heinz ihr von der großen Reise nach Indien und Hongkong mitbringen, wünscht sich Hede. Bevor Heinz die Nachfolge seines Vaters antritt, soll er auf der „Harmonia“ sein Steuermannspatent ablegen. Am Vorabend der Abreise nach Wismar aber trifft er sich in der Alten Räucherei noch einmal mit der Tagelöhner-Tochter Wieb, der er nach glücklicher Rückkehr die Hochzeit verspricht, obwohl beide wissen, dass seine Eltern eine nicht nur in ihren Augen unstandesgemäße Verbindung ablehnen werden. Zumal der alte Kirch gedenkt, in die Politik zu gehen, wenn er sein Geschäft in jüngere Hände gelegt hat. Ist der Bürgermeister (Otto-Erich Edenharter) doch auf der Suche nach einem neuen Stadtrat: Pastor Welk hat Kapitän Kirch vorgeschlagen.

Im ersten Brief des Sohnes, der vor der ganzen Familie, zu der auch noch Heinz‘ wesentlich jüngere Schwester Lina gehört, und einem Teil des Gesindes verlesen wird, ist die Rede von einer Belohnung von fünf Bremer Talern für vorbildliches Verhalten. Die Stimmung im Hause Kirch kann nicht besser sein und der Kutscher Hartwig (Hermann Wagemann) holt seine Fidel heraus. Dennoch verweigert der stolze Hausherr seiner „Jule“ genannten Schwester Juliette (Käthe Reichel) die erbetenen 100 Taler. Die rächt sich, indem sie herausposaunt, dass der gerade noch in höchsten Tönen gelobte Heinz mit der Tochter der „Schiffshure Harmsen“ liiert ist: Von einer solchen „Hurenverwandtschaft“ hätte sie das Geld ohnehin nicht angenommen. Bald weiß die halbe Stadt von dieser Beziehung. Weil er den verwaisten Ratsherrenstuhl nicht bekommen hat, obwohl ihn seinerzeit Pastor Welk vorgeschlagen hat, ist Hans Adam Kirch sicher, dass die Gerüchte um Heinz Sohn seine politischen Ambitionen zu Fall gebracht haben.

14 Monate sind seit dessen Abreise, die „Harmonia“ ist längst in Hamburg eingelaufen, als ein weiterer, unfrankierter Brief eintrifft. Der Kapitän ist nicht bereit, die 30 Schillinge Porto nachzuzahlen. Er verpflichtet den Briefträger Dirksen (Karl Brenk), ihn auch nicht an seine Gattin auszuhändigen. Und Wieb fragt vergeblich danach – Postgeheimnis. Die schlechte Stimmung im Hause Kirch wirkt sich auch aufs Personal aus: Hartwig gibt einer jungen Magd (Marina Erdmann) noch etwas Kleidung mit, die sich im Holsteinischen etwas Neues sucht. 14 Jahre später. Der Hausherrin geht es schlecht, aber der Doktor (Adolf Peter Hoffmann) beruhigt: „An Kummer sterben nur die Armen.“ Er sollte Unrecht behalten, obwohl ein freudiges Ereignis ins Haus steht: die nun fast erwachsene Tochter Lina wird mit Christian Marten (Bodo Krämer) einen ehrgeizigen, aufstrebenden Geschäftsmann heiraten, der die Zeichen der neuen Zeit erkannt hat: die Zukunft gehört den Dampfschiffen, weshalb die Hafenanlagen dringend umgerüstet werden müssen.

Der Reeder Rickerts (Martin Süßenguth) berichtet derweil, dass einer von seinen Seeleuten den verlorenen Sohn Heinz Kirch in einer Hamburger Kneipe gesehen hat – in recht desolatem Zustand. Gerade hat der alte Kapitän ihn noch als „niederträchtigen Lump“ beschimpft, da fährt er an die Elbe, um einen nicht nur äußerlich (Vollbart) völlig veränderten Heinz nach Hause zu holen. Was beim Schwiegersohn Christian Marten Sorgenfalten auf der Stirn hervorruft. Doch sein potentieller Konkurrent will nicht in das väterliche Geschäft einsteigen. Nachdem seine Mutter an Auszehrung gestorben und Tante Juliette erblindet ist, scheint er an nichts mehr Interesse zu haben – außer an Linas kleinem Sohn. Weil seine Schwester die Tätowierung am Arm des Rückkehrers vermisst, die sie in den vergangenen 17 Jahren stets vor Augen hatte, zweifelt sie an seiner Identität. Zumal ihr der Doktor einst gesagt hat, dass solche mit Nadel und Schießpulver erstellten Tattoos immer bestehen bleiben.

In Harmsens Schänke erkennt Heinz „seine“ Wieb als Bedienung – und sie gesteht ihm, mit dem Trunkenbold von Wirt verheiratet zu sein. Sie ist verzweifelt – und er hat keinen Trost, gibt ihr den Talisman zurück, den Wieb ihm am Abend vor der Abreise geschenkt hatte. Zurück im Elternhaus findet Heinz einen Umschlag mit Geld vom Vater vor: Er soll ein zweites Mal verschwinden, dann aber für immer. Als John Smith heuert er bei einem Schiffer (Regisseur Klaus Gendries) an. Vergeblich ist Lina, von Wieb über die wahre Identität ihres Bruders aufgeklärt, darum bemüht, ihren Vater umzustimmen…

„Am grauen Strand, am grauen Meer“ basiert auf Theodor Storms Novelle „Hans und Heinz Kirch“ aus dem Jahr 1883, die auf eine wahre Begebenheit zurückgeht, von der Storm während eines Aufenthalts bei seiner Tochter zwei Jahre zuvor erfuhr. Drehbuchautor Gerhard Rentzsch hat sich im Großen und Ganzen eng an die Vorlage gehalten – bis auf den Schluss: Bei Storm sieht der verbitterte Alte seinen Sohn nachts im Zimmer stehen – als Vorzeichen des eigenen Todes. Dem er nach einem Schlaganfall aber noch ‘mal von der Schippe springt. Doch nun bereut er sein Verhalten und hofft auf ein Wiedersehen mit Heinz im Himmel. Regisseur Klaus Gendries rekurriert in seiner durchweg melancholischen Verfilmung immer wieder auf „Der Mönch am Meer“, ein berühmtes Rückengemälde Caspar David Friedrichs: Der 102-minütige Film, dessen Titel der Anfangszeile des 1852 verfassten und seiner Heimatstadt Husum gewidmeten Storm-Gedichts „Die Stadt“ entspricht, offenbart ganz ohne ideologische Ausrufezeichen die Ausweglosigkeit eines freien Lebens in fest zementierten bürgerlichen Verhältnissen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Erstausgestrahlt am 6. April 1980 im Fernsehen der DDR lief er am 11. März 1981 auch in der Bundesrepublik (ARD).

Pitt Herrmann

Credits

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Schnitt

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
102 min
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 06.04.1980, DDR-TV

Titel

  • Originaltitel (DD) Am grauen Strand, am grauen Meer

Fassungen

Original

Länge:
102 min
Aufführung:

TV-Erstsendung (DD): 06.04.1980, DDR-TV