Ariane
Ariane
Br., Hamburger Echo, Nr.66, 7.3.1931
Claude Anets Roman erzählt die Geschichte eines jungen russischen Mädchens, einer jener sensiblen Typen, die Herkunft und Milieu früh geistig selbständig machte. Sie gerät an einen reichen Mann, "der das Vergnügen suchte, und die Liebe fand". Der Reiz des Romans liegt jedoch nicht in dieser ereignisarmen Handlung, sondern ist verlegt in die Seelen dieser beiden Menschen, die sich mit dem Argwohn der Liebenden umspielen. Er grübelt über ihr Vorleben nach, erregt sich über jede winzige Andeutung, die sie provoziert. Absichtlich, weil sie aus Angst vor der sie verzehren würdenden Leidenschaft seiner Liebe die Hingabe ihrer Jungfräulichkeit verdecken möchte durch das irritierende Mosaik ihrer Andeutungen über ein imaginäres Vorleben. Die sichtbaren Ereignisse sind also nicht in sich selbst logischer Ablauf, sondern die ausgeklügelten Operationen zweier sich liebender Gegner, die sich hinters Licht zu führen versuchen. Er versucht ihr die Falle zu stellen, die ihm ihr Vorleben offenbart, weil er den Wert des Menschen kennen lernen möchte, zu dem es ihn zieht. Und sie spielt ihm aus Angst vor der Liebe und aus Angst davor, als naives unerfahrenes Geschöpf entlarvt zu werden, ihre Freundschaft als unverbindliches Dutzendereignis vor. (...)