Der Glanz von Berlin
Der Mensch hinter der Putzfrau
Katharina Dockhorn, filmecho/filmwoche, Nr. 16, 20.4.2002
Judith Keil und Antje Kruska bekennen: „Wir schwimmen auf einer Welle, und sind selbst erstaunt, dass es noch besser werden kann." In Hof begann der Siegeszug ihres zweiten Dokumentarfilms "Der Glanz von Berlin", der von Egoli Tosseil Film für das ZDF/Kleines Fernsehspiel produziert wurde. Nach der Uraufführung bei der Leistungsschau des Deutschen Kinos rissen sich die Verleiher um das Kleinod, für das die Edition Salzgeber den Zuschlag bekam. Nach dem Vorstart in fünf Berliner Häusern kommt der Film Mitte Mai bundesweit in die Kinos.
"Wir hatten schon einen Sendetermin und mussten dafür kämpfen, dass er verschoben wird," erzählt Judith Keil. Schon vor Hof hatte Jens Meurer den Film einigen Verleihern gezeigt. Erst die drei Uraufführungen vor Publikum überzeugten, die Lebensbeichte von drei Putzfrauen ins Kino zu bringen. „Dokumentarfilme haben das Image, ernst, didaktisch und langweilig zu sein. Und man muss sich auf sie einlassen. Diese Bedenken der Kinobetreiber hat die Reaktion des Publikums in Hof zerstreut," berichtet Keil.
Die 28-jährige stammt aus Deggendorf in Bayern und hat noch zwei Prüfungen vor sich, um ihr Studium der Publizistik, Germanistik und Theater- und Filmwissenschaften an der Berliner FU abzuschließen. Ihr Berufsziel war immer der Film. Im Dokumentarfilmseminar von Andres Veiel lernte sie ihre gleichaltrige Mitstreiterin Antje Kruska kennen. Die gebürtige Dortmunderin studierte neben Publizistik spanische und nordische Philologie. "Andres Veiel hatte damals "Die Überlebenden" auf der Berlinale, und als ich den Film sah, wusste ich, genau das will ich machen. Das sprach mir so aus dem Herzen", erinnert sich Kruska an das Kennenlernen.
Über Praktika und Schnittassistenzen haben sich die beiden an den Beruf herangetastet. Ende der 90er Jahre wollten sie dann selbst ins kalte Wasser springen und bewarben sich auf eine Ausschreibung des Discovery Chanels. Aus der wurde nichts. Dafür wurde die Redaktion des Kleinen Fernsehspiels des ZDF auf die beiden Newcomerinnen aufmerksam. Nachdem sie mit ihrem Kameramann Marcus Winterbauer eine kleine Arbeitsprobe abgeliefert hatten, konnten sie 1999 ihren ersten Dokumentarfilm "Ausfahrt Ost" – ins Leben von Nico, Lenne und Tomcat" realisieren, der gleich für den Grimme-Preis nominiert wurde.
"Trotzdem haben uns die Produzenten und Fernsehanstalten nicht die Bude eingerannt", erzählt Antje Kruska. Sie blieben beim ZDF, wo sie sich auch wohl fühlten, und holten Jens Meurer mit ins Boot. "Er ist ein guter Produzent, der sich total für uns eingesetzt hat," erzählt Antje Kruska, und Judith Keil ergänzt: "Er hängt sich voll rein, gibt kleine Tipps, hier nochmals zu gucken und dort nochmals an den Schnitt zu gehen. Man hört ihm gerne zu."
Drei Männer, drei Frauen
Der Berliner Produzent nahm ihnen zunächst die Illusion auf einen großen Kinostart. Schon lange hatten die beiden das Projekt über Putzfrauen angedacht. Nach „Ausfahrt Ost" verfestigte sich das Thema in ihren Köpfen, denn nach den Porträts von drei Männern wollten sie auch neugierig, wie es ist, mit drei Frauen zusammenzuarbeiten. Daher haben sie auch alle Anfragen von Putzmännern abgeschmettert, die sich auf ihre Anzeigen in Berliner Zeitungen gemeldet hatten. "Das hätte auch neue Themenkreise eröffnet und man hätte es nicht so gut verdichten und miteinander verbinden können," meint Antje Kruska.
Die Resonanz auf die Anzeigen war überwältigend. Natürlich meldeten sich auch Menschen, die auf eine Karriere beim Film hofften und eine Putzfrau spielen wollten. Oder die Talkshow-Hopper, die zu jedem Thema eine Meinung haben. "Das wäre eine gute Idee für einen eigenständigen Dokumentarfilm, was diese Leute treibt, sich dort zu produzieren," so Kruska. Außerdem hätten viele Putzfrauen, die sie gerne porträtieren wollten, abgesagt, weil sie fürchteten, dass ihnen das Finanzamt auf die Schliche kommt. "Wir haben immer gedacht, keiner wird sie nach einem Film denunzieren, aber garantieren können wir das natürlich nicht," so Judith Keil. Nach mehrwöchigen Recherchen und Vorgesprächen begannen sie, mit fünf Frauen zu drehen. Nach einigen Drehtagen war klar, dass es Ingeborg Martinsson, Deliä Pereira Lopez und Gisela Weiss sind, mit denen sie den Weg bis zum Ende gehen werden. "Die anderen hatten ihre Grenze, über die sie sich präsentierten und nicht öffnen wollten. Uns war klar, dass es nicht reicht für das, was wir wollten," so Judith Keil. "Es soll ja auch Spaß machen für beide Seiten und wenn man das Gefühl hat, man quält die Leute und sie haben Grenzen, die sie verteidigen, dann kommt man sich indiskret vor," ergänzt Antje Kruska.
So wie im Interview hätten sie sich oft auch beim Dreh die Bälle zugeworfen. Wenn die eine Regisseurin beim Gespräch nicht weiter kam, übernahm die andere. Herausgekommen sind drei sehr sensibel beobachtete Porträts von drei ganz unterschiedlichen Frauen. Gisela Weiss beispielsweise ist stolz auf ihren Beruf, sie kam zum Putzen, weil es in der DDR hervorragend bezahlt wurde. "Das wussten wir gar nicht. Das Ehepaar hat 35 Jahre Gebäudereinigung auf dem Buckel und einen ganz tollen Berufsethos", beobachtete Antje Kruska. Ingeborg Martinsson sieht das Reinemachen für andere Leute eher als notwendiges Übel an. Daher konzentrieren sich die beiden Filmemacherinnen stärker auf ihre Suche der Putzfrau nach dem Mann fürs Leben.
Deliä Pereira, die eigentlich Malerin werden wollte und noch heute zeichnet, ist eine Pragmatikerin, die mit beiden Beinen im Leben steht. "Das war auch eine Anfangsthese, dass es oft gebrochene Lebensläufe sind," betont Judith Keil. "Außerdem bestätigte sich unsere Annahme, dass es Frauen sind, die viel geschuftet haben und sich den Lebensmut nie nehmen ließen."
Wie man sich nie in die Haare bekommt
Nach dem Dreh hatten die Regisseurinnen rund 30 Stunden Material. Zunächst wurde jedes Porträt einzeln geschnitten und dann miteinander verbunden. "Wir schätzen alle Meinungen und hören auch jedem zu, der mitarbeitet. Im Endeffekt vertraue ich nur Judith hundertprozentig. Wenn andere etwas sagen, denke ich darüber nach, aber das hat nicht so viel Wert wie ihre Anmerkungen," erzählt Antje Kruska, die mit der Kooperation auch das Vorurteil ihres Vaters überwinden konnte, dass sich zwei Frauen auf jeden Fall in die Haare kriegen werden.
"Es ist nicht nur die gemeinsame Arbeit. Wir sind auch gut befreundet. Zwischen uns gibt es keinen Egoismus oder die Angst, zu kurz zu kommen," bestätigt auch Judith Keil. Die Kehrseite der weiter geplanten Zusammenarbeit sei natürlich, dass auch die nicht gerade üppigen Regiehonorare geteilt werden müssen. Denn weitermachen will das erfolgreiche Duo auf jeden Fall, auch wenn sich noch kein Thema für ein neues Projekt herausgeschält hat.