Das Superweib
Das Superweib
Hans Schifferle, epd Film, Nr. 4, April 1996
Ein paar Mal wird in Sönke Wortmanns neuem Film, der nach dem Bestseller von Hera Lind entstanden ist, parodistisch auf eine Schiffsarzt-Serie verwiesen. Ich habe mich des öfteren während des Films nach einer "Traumschiff"-Episode gesehnt, die wenigstens abwechslungsreich ist und zumeist auch nicht ohne eine gewisse Camp-Qualität. Die lehrreiche Geschichte von der Selbstverwirklichung einer Mutter von zwei Kindern bekomme ich sowieso in jeder Vorabend-Serie auf spannendere Weise erzählt.
Wortmanns Film, wieder von Bernd Eichinger produziert, ist keine richtige Komödie wie der wunderbare "Kleine Haie" oder auch noch "Der bewegte Mann", weil es in ihm keine Charaktere und keine Typen gibt, keine Atmosphäre und kein Flair. Er ist aber auch keine Klamotte wie "Mr. Bluesman", weil er in einem gewissen Maße geschmackvoll und up to date sein muss, geeignet für die ganze Familie. Die Szenen, in denen er emotional sein will, wirken schließlich nur noch verkrampft.
Veronica Ferres spielt Franziska, die sich durch Advokat Winkel aus Versehen von ihrem Ehemann, einem TV-Regisseur namens Will Groß, scheiden lässt. Weil Will Groß ein Großkotz ist und sowieso immer auf Dreh im Ausland, findet sie Gefallen an dieser zufälligen Scheidung. Sie kauft sich ein schickes Häuschen und beginnt ihre Lebensgeschichte niederzuschreiben nach dem Motto: "Das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten."
Das Buch handelt dann von ihrer ersten Liebe, einem Deutschlehrer. Und es handelt davon, wie sie Will Groß kennen gelernt hat, zwei Kinder bekam und deswegen ihre Karriere als Schauspielerin nie richtig starten konnte. Natürlich landet das Manuskript bei einem Verlag und wird zum Bestseller. Der Lektor ist zufälligerweise der alte Deutschlehrer. Und so gehen für Franziska alle Jugendträume doch noch in Erfüllung. Die beiden haben nämlich spontanen Sex, auf dem Schreibtisch im Lektorenbüro, wie angedeutet wird. Sehr wild! Knisternde Erotik! Weil Franziska jetzt so befreit ist, wird sie noch mit einem anderen Mann ins Bett gehen, einem melancholischen Burschen, den Richy Müller spielt. Er wird ihr nach der Liebesnacht in einer wirklich peinlichen Szene von der Geburt seiner behinderten Tochter erzählen. Nicht nur Erotik zählt, auch Menschlichkeit und Schicksal. Selbstverständlich taucht auch Großkotz Will Groß wieder auf und will gerade aus dem Buch seiner Frau seinen ersten Kinofilm machen. Franziska muss wieder kämpfen: gegen die billigen und spekulativen Absichten von Groß. Ach, wäre Wortmanns Film nur ein wenig billig und spekulativ geworden.
Advokat Winkel, Will Groß, Sonja Sonne, Hajo Heiermann: kann man sich für Figuren interessieren, die so heißen? Wenn schon, dann müssten sie wenigstens richtig überzeichnet sein. Doch sie sind einfach nur platt und bieder. Die Schauspieler haben deswegen wenig Möglichkeiten. Veronica Ferres, die wirklich gut sein kann, tut sich schwer mit dieser Franziska, die progressiv und voller Power sein soll, und doch nur spießig und politisch korrekt ist. Joachim Król als verschrobener Winkel darf ein wenig den Jungen im Manne herauskehren. All die anderen ziehen Kabarettnummern durch: Til Schweiger muss sein eigenes Kino-Image verarschen als autozeitunglesender Schauspieler Hajo Heiermann. Esther Schweins als Sonja Sonne gibt eine ihrer "Samstagnacht"-Nummern. Und Maren Kroymann als kreischende Buchhändlerin weckt einen jedes Mal wieder auf, wenn man gerade weggenickt ist, mit Wortsalven, die sich anhören wie eine abrutschende Kreide auf glatter Tafel.
Alle Hoffnungen hatte ich auf Lilo Pulver gesetzt. Aber Wortmann gibt ihr viel zu wenig Raum. In den paar Szenen, in denen ihre entzückende Stimme ertönt, glaubt man in einem anderen Film zu sein. Ich erinnerte mich an alte Filme mit der Pulver, die neuer waren als dieser altbackene Film von Wortmann, Eichinger und Lind.
Es gibt wirklich weniges, was einigermaßen gefallen kann außer Lilo Pulver. Der Kurzauftritt von Wortmann-regular Armin Rohde gehört sicher zu den Highlights. Und natürlich Heiner Lauterbachs Toupet. Doch, da musste ich schon schmunzeln. Aber das war's schon.
Noch eine ironische Anspielung gibt es im "Superweib", und zwar auf "Deutschland bleiche Mutter". Auch diesen Film habe ich herbeigewünscht und bin eigentlich kein Fan von Helma Sanders-Brahms.