Eine Dubarry von heute

Deutschland 1926/1927 Spielfilm

Eine Dubarry von heute


H. W–g. (= Hans Wollenberg), Lichtbild-Bühne, Nr. 21, 25.1.1927


Ludwig Biro, der Mann des psychologisch abschattierten, feineren Unterhaltungs-Romans, liefert dem Film, wie erst "Stadt Lemberg" bewies, brauchbare Stoffe. Seine "Dubarry von heute" ist ein echtes Pariser Kind, ein kleines, geplagtes, dabei immer lustiges Ladenmädel, das jene Karriere macht, die im Roman und Film sehr viel häufiger ist als im Leben. Die Bezugnahme auf die historische Dubarry soll wohl andeuten, daß der Autor sich des nicht ganz Alltäglichen einer Laufbahn bewußt ist, die über den Mannequin zur Grafenfreundin, über die Geliebte des Milliardärs zur Mätresse eines Königs führt. (...)

Der Film als Ganzes ist eine sehr gepflegte, durch, und durch kultivierte Arbeit. Ein Unterhaltungsfilm, dessen Linie durch seinen noblen Stil, seine brillante Aufmachung und einen stark bewegten Schluß bestimmt ist. Damit ist das Entscheidende über Alexander Kordas Regie bereits gesagt. Ohne eine ausgesprochene oder gar starke Originalität in der Führung und Gestaltung trifft er durchaus einen europäischen, ja internationalen Ton, ist absolut sicher im Geschmacklichen und hat einen wesentlichen Instinkt für das Dekorative und Bildmäßige. In den Revolutionsszenen am Schluß entwickelt er Tempo und Kraft. Im Menschengestalterischen dagegen kann er nicht immer befriedigen. Hierfür nur ein Beispiel: Wo bleibt die grenzenlose Enttäuschung des kleinen Mädchens, das zum ersten Male von einem Manne, den sie liebt, ausgeführt werden soll und von ihm versetzt wird? An dieser Stelle und an anderen, wo die eigentliche feinere Spielleitung erst anfängt und wo die starken Wirkungen auf das Herz des Publikums liegen, ist ein Vakuum. Mit einem Wort: über psychologisch-dramatische Momente tänzelt der Ausstattungs-Regisseur ahnungslos hinweg.

Maria Corda spielt die moderne Dubarry, und auf ihrer Rolle steht der ganze Film – alles andere ist Beiwerk. Keine Darstellerin ist wie sie prädestiniert, die große Kokotte, die Königsmätresse lebendig werden zu lassen. Sie braucht ihre immerhin beschränkten darstellerischen Mittel nicht stark anzuspannen, um vollendet die Vision einer Frau zu geben, wie sie dieser Film verlangt und schildert. Und darum trägt sie den Erfolg. Sie hat Charme, Stil, Rhythmus, Geste, eine musikalische Beweglichkeit und weiß eine große Robe wie wenig andere Frauen zu tragen. Außerordentlich ist der äußere Aufwand, mit dem man sie herausgebracht hat. An Toiletten erlesensten Geschmackes hat die Theaterkunst Kaufmann Hervorragendes geleistet und damit ihren nicht unwesentlichen Anteil an diesem Film. (...)

Ein starkes Plus dieses Films ist alles Bildhafte. Milieu wird stets richtig getroffen. Der Kleiderladen, das kleine Hotel. Das nächtliche Paris gibt immer wieder prachtvolle Bilder voll Atmosphäre. Große Entfaltung in Tanzlokalen, Hotelhallen und Schlössern. F. O. Werndorff hat geschmackvoll gebaut. Unterstützt von Schüfftan (dem Auge nicht wahrnehmbar), namentlich in der spanisch angehauchten Residenz von Astorra. Fritz Arno Wagner bewährt sich auch hier als einer der besten Kameraleute Deutschlands. Sowohl was das Timbre und den Stimmungsgehalt seiner Bilder wie seine einfallsreichen Einstellungen betrifft. Die optische Abkürzung der Passagen (beispielsweise Toinettes Weg vom Eingang des Hotels die Treppe hinauf in ihr Zimmer), das Ineinander der oft sehr aparten Einstellungen ist musterhaft durchgeführt. Brillant die photographische Erfassung der (von Schüfftan unterstützten) Revolutions-Szenen, wo das von der Regie entwickelte starke Tempo durch kameramäßige Lösungen unterstrichen wird.

Der Film fand im Ufapalast die beifällige Aufnahme, die ein Werk, das mit viel Könnerschaft, Geschmack, erlesenster Ausstattung und in technischer Vollendung geschaffen ist, verdient.

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