Das Wirtshaus im Spessart
Das Wirtshaus zum Spessart
Georg Herzberg, Film-Echo, Wiesbaden, 22.01.1958
Es war ein Großerfolg auf der ganzen Linie. Auf der Treppe des Gloria-Palastes kam mir ein Theaterbesitzer entgegen und informierte mich in überschwänglichen Worten über seinen Eindruck bei der Nachmittagsvorstellung. Woran lag es? In erster Linie wohl daran, daß man hier Künstlern und Könnern bei einem Thema freie Hand gelassen hat, dessen Filmeignung durchaus nicht offenkundig war. Wäre es schiefgegangen, die Fachwelt wäre mit vielen guten Gründen hierfür zur Stelle und nicht zuletzt mit dem Argument, daß das Publikum für Parodien nun einmal schwer zu begeistern sei. Aber der Produzent Georg Witt vertraute seinen Mitarbeitern und seinem guten Stern.
Viel erzählen soll man von dem Inhalt nicht, sonst klugredet womöglich noch jemand, daß "eigentlich" nicht viel passiert. Es wird keinen Filmbesucher überraschen, daß der schmucke Räuberhauptmann und die hübsche Komtesse ein Paar werden. Überraschen wird dagegen, und zwar gründlich, die Art, wie das geschieht. Diesmal ist man als Kritiker nicht ungehalten, daß man so viele Autorennamen in den Vorspann schreiben mußte; der Aufwand hat sich wirklich gelohnt. Der Film steckt so voller Einfälle – nicht nur der Autoren und der Regie, sondern auch der Architekten, des Kameramannes, des Komponisten und aller Mitarbeiter bis zur Kostümberaterin und zu den Requisiteuren –, er zeugt in jeder Szene so beredt von der Freude aller Beteiligten an ihrer Arbeit, daß man gleich noch einmal hingehen müßte, um auch alles zu bemerken.
Kurt Hoffmann packt das Publikum bereits mit dem witzigen Vorspann und läßt es bis zum Schluß nicht wieder los. Übrigens muß zum Ruhme der Berliner Premierenbesucher gesagt werden, daß sie großartig reagierten, ja daß sie förmlich wetteiferten, die Bild- und Wortpointen des Geschehens zu erfassen und mit Gelächter und Applaus zu belohnen. Hoffmann demonstriert auch hier seine Kunst, jeder Szene auf Anhieb die rechte Atmosphäre und jedem Schauspieler, jeder Charge, der Landschaft und allem Drumherum den richtigen Einsatz zu geben. Der nachtdunkle Wald, das grimmige Wirtspaar in der Räuberschenke, die strahlende Sonne über den herbstlich gefärbten Bäumen, die Liebesszenen inmitten all der Turbulenz, alles das "kommt" ohne Krampf und Getue und unnötig langen Anlauf. Hoffmann weiß nicht nur, was er will, er hat auch die Gabe, es allgemeinverständlich auszudrücken. Das kann man ganz wörtlich nehmen. Ich kann mich an nicht viele Filme erinnern, in denen jedes gesungene Wort so genau zu verstehen war und in denen Sprache, Musik und Geräusche so klug gegeneinander abgewogen waren. Vielen Dank, Tonmeister Walter Rühland.