Der blaue Engel

Deutschland 1929/1930 Spielfilm

Der blaue Engel



Ernst Jäger, Film-Kurier, Nr. 80, 2.4.1930

Literatenwahl

Wir haben Dichter und Schriftsteller in Deutschland genug – der Film weiß es nun endlich; und wieder ist es Erich Pommer, der den richtigen Weg weiter ging – für den Film in seiner sprachbereicherten Form die besten Köpfe zu verpflichte, den Bund mit den in der Filmwelt so verschriebenen "Literaten" einzugehen. (...)

Das geistige Stottern der Stummen geht zu Ende.

Bildung wird beim Film nicht mehr als Belastung angesehen.

Stoffwandelung

Wir sind mit diesem Pommer-Jannings-Sternberg-Film noch im Anfang. Wie "Caligari" am Anfang war, eine Offenbarung, ein Augenöffner. (...)

Dort wie hier arbeiteten "Literaten" mit. Diesmal neben Heinrich Mann Carl Zuckmayer und Karl Vollmöller. (...)

Der Produktionsbestimmer wie Erich Pommer muß den neuen Autoren (sucht sie weiter, nutzt sie weiter, beschäftigt sie weiter) das Eine beibringen: das andere, das neue dem Publikum klarmachen, für das sie "Film" im Gegensatz zum Bühnendrama, zum Buch entwerfen. Diese Leinwände als Wirkungsflächen, die von Paris bis Tokio aufgehängt sind. Diese internationale Schaugemeinde, für die der individualistische Dichter der "Kakadu"-Verse nun schreiben muß.

In diesem neuen Reiz der Verallgemeinerung der individuellen Gestaltung liegt selbstverständlich die Gefahr der stofflichen Trivialisierung.

Sie spielt diesmal nur eine kleine Rolle. (...)

Die Aufgabe des Jannings-Films

(...) Keiner spielt den leidenden Mann gerade im Schmerz so unsentimental wie Jannings. Er hat seine besonderen Publikumsdrücker dann, wenn er vor Wonne schmunzelt und leibesselig der Tänzerin Lolo zuschaut. Er hat da so viel Strahl im Gesicht, wie 20 Gänsebraten in der Pfanne, Riesenbeifall bei der Logenszene. Das sind klassische Momente größter mimischer Kunst.

Er spricht nun also auch. (...)

Ganz unstreitig: Der sprechende Jannings hat eine Zukunft. Er wird auch dann und um so mehr den künstlerischen Tonfilm vorwärts bringen, wenn er in nächsten Werken noch mehr ins Ensemble tritt. (...)
Marlene Dietrich

(...) Während ihr Singen, zu dem Friedrich Holländer die vollendete Gebrauchsmusik geschrieben hat, in die Schule der Margo Lion gegangen ist, spricht sie im charmanten Nebenbei – wie bisher noch keine Frau im deutschen Tonfilm sprach. Die Vollnatur der Stimme ist erreicht. Wenn sie da auf der Leinwand etwas hinsagt, ist die Illusion der Lebendigkeit hergestellt. (...)


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