Die Geier-Wally
Die Geierwally
Film-Kurier, Nr. 214, 14.9.1921
Ein Kammerspiel aus den Bergen: Die "Geierwally", der Höchstbauer und der Bären-Joseph. Drei Menschen, die jeder für sich so eine Art Naturgewalt darstellen; ein Kammerspiel zwischen Elementen, zwischen Stiernackigen. Ihr Problem ist, wie immer im Leben und Film, die Liebe, also genau so wie bei uns, und hier nicht einmal übermäßig kompliziert: Die Tochter liebt einen Burschen, den ihr der Vater verbietet. Das gibt den ersten Konflikt, denn der Alte ist ein sinnlos stolzer Bauernschädel, der weiß, was sich für ihn, einen "Höchstbauern" schickt, sie ist aber seine Tochter, die Geierwally, auch ein Trotzkopf; von der Heirat mit einem andern will sie nix wissen, sie gibt nit nach, im Gegenteil, aufbegehren tut sie gegen den Vater, was nicht nur in den Bergen eine Sünd" ist.
Zweiter Konflikt: Der Bären-Joseph ahnt nicht, daß die Wally seinetwegen leiden und auf der "Höchstalm" einsam büßen muß, und noch weniger, daß sie sich grämt, weil er, der tolle Bursch mit der Afra geht. – Sie kriegen sich aber doch – nicht ganz so einfach, die Geierwally erkämpft sich den Joseph, es wird gestrotzt und gerungen - und da liegt eigentlich das Wesen dieses Filmes: wie sich diese Menschen mit ihren Angelegenheiten auseinandersetzen (gewissermaßen die "façon de parler" ihrer Welt), wie sie an Dinge gehen. Darum ist dieser Film ein Kammerspiel von rauhen Temperamenten; ein Mikroskop der Naturvorgänge, wie sie sich hier abspielen: mit Lawinen und Stürmen.
Berge und Schluchten bilden das Interieur, stellen den allegorischen Hintergrund für die "Geierwally", für das Format ihrer Leidenschaftlichkeit. So war der Film gedacht..., er wirkt aber so, als ob es eine Oper wäre, in deren fünften und letzten Akt starke Bewegung eintritt. Enthusiastisch war der Beifall, mit dem der Film aufgenommen wurde. Das Publikum verlangte nach jedem Akte die Geierwally Henny Porten. Verständlich wird diese Begeisterung, wenn man überlegt, das Henny Porten, ein Ideal deutscher Frauen, hier eine Rolle hat, mit der sie dem deutschen Gemüt am nächsten kommt. Sie wirkt einfach, heiter, bieder in großen Leidenschaften, noch immer wie ein Backfisch, in ihren Temperamentsausbrüchen groß, aber gesittet: von ihrer Erscheinung geht ein so heller, frischer Duft aus, wie von frischem Linnen. (...)
Die Regie E. A. Duponts ist mit glänzender Routine gearbeitet. In Einzelheiten, besonders in solchen, die dem Publikum bestimmt sind, ist Dupont exakt in der Ausführung und voll humoristischem Temperament, aber er überschätzt sie. Der Schluß, die Jodelszene, die in den ersten Bildern schön und stark wirkt, hält er zu lange an: eine gesprochene Arie...
Die Ausstattung besorgte Paul Leni mit starkem Verständnis für das Lokal-Kolorit; er trägt an der unbestrittenen Gesamtwirkung dieses Publikumsfilms zweifellos einen gleich großen Anteil, wie die erstklassige, durchtönte Photographie Arpad Viraghs. (...)