Bis daß der Tod euch scheidet

DDR 1977/1978 Spielfilm

Unbequeme Wahrheit


Heinz Kersten, Der Tagesspiegel, Berlin, 25.5.1979


Zwischenmenschliche Beziehungen sind schon längere Zeit ein besonderes Thema in Kunst und Literatur der DDR. Hier gibt es auch durchaus so etwas wie eine "Fehlerdiskussion", wird ohne Beschönigung dargestellt und erörtert, was denn alles falsch läuft, anders sein sollte im Umgang vor allem auch von Frau und Mann. Ein so ernsthafter Funk- und Filmautor wie Günther Rücker und ein so engagierter Filmregisseur wie Heiner Carow haben dabei schon manchmal Nachdenken provoziert, Diskussionen angeregt. Rücker kennt man bei uns durch sein Szenarium zu Egon Günthers Film "Der Dritte", Carow wurde hier durch "Die Legende von Paul und Paula" bekannt. Jetzt haben beide zum ersten Mal gemeinsam einen Film gemacht: "Bis daß der Tod euch scheidet".

Mit Rückers bei der DEFA längere Zeit als heißes Eisen geltendem Stoff bleibt Carow der Linie seiner beiden vorangegangenen Filme treu. Wieder wird hier ein DDR-Gegenwartsthema kompromißlos behandelt, werden Konflikte voll ausgespielt und sind auch polemische Züge unverkennbar. "Die Legende von Paul und Paula" plädierte nach einer Vorlage von Ulrich Plenzdorf für große Emotionen gegen bequeme Anpassung. Carows nächster Film "Ikarus" nach einem Szenarium von Klaus Schlesinger kritisierte Gleichgültigkeit und Mangel an Sensibilität im Umgang mit Kindern, "Bis daß der Tod euch scheidet" will deutlich machen, daß weder ein intaktes soziales Umfeld – in diesem Falle verständnisvolle Arbeitskollektive zweier Ehepartner – noch die Beachtung gutgemeinter Ratschläge für ein Leben zu zweit privates Glück garantieren. Demonstriert wird dies an einer jungen Ehe, wie sie in der DDR vielfach allzu früh und noch unreif geschlossen werden.


Sonja und Jens, (zum ersten Mai vor der Kamera: Katrin Saß und Martin Seifert) kaum zwanzigjährig, beteuern sich nach der standesamtlichen Trauung gegenseitig ewige Liebe, und zuerst geht wohl auch alles nach Wunsch. Die Schwierigkeiten kommen mit dem ersten Kind. Sonja will nach dem Babyjahr wieder an ihre alte Arbeitsstätte, in die Kaufhalle, zurück. Jens ist strikt dagegen. Sein Junge soll es besser haben als er, der bei der Oma aufwuchs, weil die Mutter zeitlebens schuftete. Aus diesen Kindheitserlebnissen kommt sein Wunsch nach Nestwärme, der bei ihm zur spießigen "Trautes Heim – Glück allein"-Ideologie wurde. Als sich Sonja ohne sein Wissen qualifiziert und schließlich den Facharbeiterbrief mit nach Hause bringt, fühlt er sich hintergangen. Er schlägt sie, besäuft sich, läuft davon und zeigt dann weinerliche Reue. Der Kreislauf wiederholt sich – da helfen keine gängigen Rezepte (…) .

Rücker und Carow möchten der DDR-Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, sie durch Konfrontation mit ungeschminkten Wahrheiten zur Auseinandersetzung mit ihren kleinbürgerlichen Tendenzen zwingen. Dieses junge Paar dient dafür nur als vielleicht extremes Exempel: beide voller guten Willens, aber hilflos gegenüber eigenen Problemen. "Bis daß der Tod euch scheidet" ist gemessen an der "Legende von Paul und Paula" sicher ein schwächerer Film, aber er ist ebenso unbedingt in seinem Wahrheitsanspruch und als Herausforderung an das Publikum. Für die DEFA ist es deshalb seit langem einer der wichtigsten Filme.

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