Bis daß der Tod euch scheidet

DDR 1977/1978 Spielfilm

Ein Sonderfall von Liebe oder Der streitbarste DEFA-Film

"Bis daß der Tod euch scheidet"


Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 12, 1979


Dieser Film ist streitbar, und er soll es – nach dem Willen seiner Schöpfer – sein. Diese Streitbarkeit, die manchmal schon zur Streitlust wird, zwingt jeden Zuschauer, sich zu stellen, und entläßt keinen ohne Selbst-Prüfung und -Befragung, Nachdenken und Betroffensein. Von all den gelungenen DEFA-Filmen der letzten Jahre, die Lebensfragen unserer Zeitgenossen zu Gegenstand und Botschaft nahmen, ist dieser der rigoroseste, am meisten schmerzende und am meisten zupackende, der leidenschaftlichste.

Er erhebt eine Alltags-Liebes- und Ehegeschichte zwischen zwei jungen Leuten zum Sonderfall und spitzt den Konflikt extrem zu, sozusagen um jeden Preis. Gegenseitige Liebe und gemeinsames Leben wird an die Grenze von Leben und Tod getrieben. Damit gewinnt die Geschichte Größe, die zugleich den Boden für die Leidenschaftlichkeit von Anliegen und Vortrag bilden. Ein legitimer, wenn auch nicht eben häufiger Vorgang in der Kunst.

Die sich liebenden, miteinander verheirateten und gemeinsam lebenden Sonja und Jens, Verkäuferin und Bauarbeiter, Anfang 20 und bald Eltern eines gesunden Jungen, nehmen fundamentale Ideale unserer Wirklichkeit beim Wort. Sie erleben Schlimmes miteinander und aneinander, aber sie scheitern nicht, gehen auch nicht kaputt. Ist das vielleicht ein Teil jenes Prozesses, den wir häufig nett verharmlosend Reifen nennen? Jene Ideale wirken nicht automatisch oder weil man sie sich zur eigenen Maxime nimmt. Es muß jeder wohl kräftig sein Eigenes zur Verwirklichung einbringen. Was ist das – charakterliche Substanz oder fester Willen oder was? Und woher kommt es, – vererbt von den Eltern, anerzogen von Jugend an, vermittelt durch die Umwelt? Und wie noch? Oder vertragen die Ideale (noch) nicht die Probe auf die Praxis? So viele Fragen … Dem zurechtgeschnittenen Sonderfall werden flankierende, kontrastierende und mobilisierende Fabel-Elemente zugefügt. (…)


Der Versuch, wichtige Fabelmomente und ihre Wertigkeit für den Sonderfall sowie ihre in unserer Gesellschaft zu findende Untermauerung, Begründung und Begrenzung zu skizzieren, muß unvollkommen bIeiben. Aus Platzgründen sowieso. Aber auch, weil Günther Rücker und #Heiner Carow – bei allen Besonderheiten ihrer Geschichte – vor allem beschreiben, darstellen, vorführen, demonstrieren und zu wenig analysieren und also zu wenig begründen. Ich wiederhole: Es ist eminent wichtig, daß sie solch Anliegen gestalten und derart zuspitzen. Aber manche (verminderte oder auch ausgesparte) Motivation könnte – denke ich – den Zugang zum vollen Verständnis merklich erleichtern. (…)

Schließlich: Weithin ist das richtiger Film, großes Kino, was da auf der Leinwand geschieht, schwer beschreibbar und richtig nur erlebbar im vollbesetzten Zuschauerraum. Da finden sich Szenarist und Regisseur, Moralist und Eiferer zu Szenen von großer Schönheit, Bewegung und Rhythmus zusammen und steigern sich gegenseitig, im besten Bunde mit den Schauspielern und der Kamera (Jürgen Brauer).

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