Pigs Will Fly
Mechanik eines Zwangscharakters
Lustig kann er sein und charmant. Rührend, wie er Regale bastelt, um Ordnung in das Leben anderer zu bringen. Laxe (Andreas Schmidt), der beliebte Kumpel, dessen selbstbewusstes, offenes Grinsen sich ganz plötzlich zur Fratze verspannen kann. Der ungebremste Choleriker, der immer noch zutreten muss, auch wenn seine Frau bereits regungslos am Boden liegt. Und während das Opfer im Krankenhaus liegt, fährt Laxe in Urlaub zu seinem Bruder nach San Francisco. Die Kamera reist mit, schaut dem Täter in den Ferien über die Schulter. Singend beim Autofahren, barfuß am Meer, schüchtern beim Verlieben. Bis in der Mechanik des Zwangscharakters alles wieder auf Anfang steht. Noch ein Missverständnis, eine Kleinigkeit, und schon ist da dieses Zucken, und nichts wird wieder gut.
Der Blick der DV-Kamera bleibt dabei stets nüchtern und distanziert. Keine Großaufnahme suggeriert psychologische Kompetenz, kein Zoom stillt die Schaulust am Monströsen. Nur mit Abstand zum Protagonisten lässt sich dieser kranke Streit zwischen schmerzlicher Sehnsucht und ohrenbetäubender Wut einfangen. "Pigs Will Fly" will keine filmische Anamnese. Der Film spart sich jedes Identifikationsangebot und schickt den Täter nicht in den üblichen Läuterungsparcours. Eoin Moore erzählt vielmehr von der Normalität des Ausnahmezustands, von der unspektakulären Routine zwanghafter Gewalt. Ob unterm gelben Balkonsonnenschirm im Märkischen Viertel oder in der vegetarischen Kuschel-WG in San Francisco. Die Wut ist allgegenwärtig, lässt sich von keiner friedlichen Kulisse und keiner Hoffnung an die Kette legen. Laxe, der charmante, liebenswerte Schlacks, kann Laxe, den Schläger, nicht retten.
Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004